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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Ochsen saß. Was hatte Orlandu angestellt, um solche Bespitzelung zu verdienen? Die Antwort auf diese Frage musste warten. Erst wollte er unbedingt Carla finden, und er glaubte, dass man ihm die richtige Adresse gegeben hatte.
    »Noch eine Sache, die allerdings dringend ist«, fügte er hinzu. »Eure Affen verdursten.«
    »Meine Affen, Sire?«
    »Seht zu, dass sie gefüttert und getränkt werden. Und zwar jetzt gleich.«
    Christian verneigte sich und zog sich in sichere Entfernung zurück. Dann huschte er fort.
    Tannhäuser hörte Schritte und das Klirren von Waffen und Zaumzeug.
    »Da ist er, das Schwein.«
    Tannhäuser fuhr herum.
    Vier hugenottische Adelige hatten sich drohend vor ihm aufgebaut. Der Älteste war der Raufbold vom Innenhof, der Jüngste noch ein Grünschnabel. Flankiert wurden sie von zwei Schottischen Garden. Dominic Le Tellier stand seitlich vor ihnen. Auf seinem Gesicht lag keine Spur von Freundlichkeit. Einer der Hugenotten hatte Grégoire beim Nacken gepackt. Ein roter Streifen leuchtete auf der Wange des Jungen. Tannhäuser holte tief Luft, um das plötzliche Aufflackern von Gewalt in seiner Brust zu lindern.
    »Ihr seid also Manns genug, einen hilflosen Jungen zu besiegen«, sagte Tannhäuser. »Lasst ihn los.«
    Dominic mischte sich ein. »Diese edlen Herren …«
    »Diese edlen Herren werden sofort den Jungen loslassen.«
    Der Hugenotte stieß Grégoire unsanft vor.
    Tannhäuser packte Grégoire beim Kinn und untersuchte den Striemen.
    »Geht es dir gut, Junge?«
    Grégoire nickte.
    »Stell dich hinter mich.«
    Tannhäuser schaute zu Dominic. »Welcher von diesen großen Kriegern hat ihn geschlagen? Oder mussten die Schottischen Garden an ihm üben?«
    »Ich habe ihn gezüchtigt, wie er es verdient hat«, antwortete Dominic. »Er war unverschämt zu mir.«
    »Könnt Ihr wörtlich zitieren, was er gesagt hat?«
    »Das reicht jetzt«, knurrte der Raufbold. »Zur Sache.«
    »Wartet, bis Ihr an der Reihe seid, oder zieht Euer Schwert«, sagte Tannhäuser.
    Das Schwert wurde nicht berührt. Tannhäuser schaute zu Dominic zurück. »Grégoire ist mein Knappe. Wenn er zu züchtigen ist, dann mache ich das.«
    Dominic neigte den Kopf. »Ich wusste das nicht, Sire. Ich bitte um Verzeihung.«
    »Nun zur Sache.«
    »Diese edlen Herren behaupten, Ihr hättet sie in ihrer Ehre verletzt.«
    »Alle vier? Ich wüsste nicht, dass ich dazu Gelegenheit gehabt hätte.«
    »Sie sind Brüder. Eine Verunglimpfung eines Bruders betrifft alle.«
    Die förmlichen Regeln für Duelle sahen vor, dass eine Beleidigung durch Wort oder Tat möglich war. Tannhäuser hatte nie ein förmliches Duell gefochten; er zog es vor, sich gleich und ohne Mummenschanz ins Gefecht zu stürzen. Doch Duelle unterstanden dem Schutz des Gesetzes, und das wollte er gern akzeptieren.
    Dominic deutete auf den Raufbold. »Dies ist Benedykt von …«
    »Er soll sich seinen Namen für den Grabstein sparen.«
    Diese Beleidigung machte die Brüder nur noch wütender. Dominic hob wieder an.
    »Sieur Benedykt behauptet, Ihr hättet ihn auf ungerechte, hinterlistige und unehrenhafte Weise verletzt. Er hat daher das Recht, Euch ohne weitere Debatte zum Kampf herauszufordern, es sei denn, Ihr lehnt das ab und bietet Satisfaktion.«
    Der Gedanke an Carlas Missbilligung verursachte Tannhäuser kurz Gewissensbisse. Wenn eine förmliche Entschuldigung, wie unaufrichtig sie auch sein mochte, ihm den Weg freimachte, dann schuldete er ihr den Versuch.
    Er schluckte.
    »Wie könnte ich diesem Herrn Satisfaktion geben?«
    Er schaffte es, das Wort »Herr« so auszusprechen, als hätte er »Hundehaufen« gesagt. Das war keinem der Anwesenden entgangen.
    Benedykt trat vor. »Indem Ihr Euch den ersten Finger Eurer rechten Hand abtrennen lasst.«
    Tannhäuser fiel ein Stein vom Herzen. »Und wenn ich mich weigere?«
    »Mit einer Weigerung würdet Ihr mich der Lüge bezichtigen«, sagte Benedykt, »und es ist mir unmöglich, in diesem Zustand zu leben, bis der Tod entweder mein oder Euer Leben beendet.«
    Ein zweiter Bruder trat vor. »Aber«, sagte dieser, »da die unehrenhafte Verletzung meinen Bruder kampfunfähig gemacht hat, beanspruche ich, Octavien, als sein Sekundant das Recht, an seiner Stelle zu kämpfen.«
    Octavien war größer und schmaler als Benedykt, einige Jahre jünger und wesentlich attraktiver. Er trug voll Stolz eines der langenFlorette, die bei denen, die niemals ein Schlachtfeld gesehen hatten, so beliebt waren. An der Art, wie er es trug,

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