Die Blutnacht: Roman (German Edition)
konnte man sehen, dass er sich für einen hervorragenden Fechter hielt. Er begutachtete sehr selbstbewusst Tannhäusers kürzeres, breiteres Schwert, eine Hieb- und Stoßwaffe.
Tannhäuser schaute zu Dominic. »Und diese Schwindelei haltet Ihr für rechtens?«
Dominic zuckte die Achseln. »Sekundanten greifen oft in den Kampf ein.«
Octavien sagte: »Denkt über das Angebot meines Bruders nach. Ich habe im Duell schon fünf Männer getötet.«
Tannhäuser musste lachen. Er wandte sich an Benedykt. »Dann zeigt mir mal diese schreckliche Verwundung.«
Benedykt schwenkte seinen Zeigefinger vor Tannhäusers Nase. Er war dick angeschwollen und blauschwarz marmoriert. Tannhäuser packte ihn und riss ihn mit aller Macht zur Seite. Das Krachen hallte von den Mauern wider, ebenso Benedykts Schmerzensschreie. Tannhäuser spürte, wie Gewebe und Sehnen rissen. Benedykt fiel mit verkrampftem Kiefer auf die Knie. Tannhäuser schaute zu Octavien.
»Tretet zur Seite, oder ich töte Euch. Denkt an den Grünschnabel.«
Tannhäuser deutete mit dem Kopf auf den blonden Jungen, der starr vor Angst war.
Octavien schaute zu seinem jüngsten Bruder und zögerte.
Benedykts Boshaftigkeit war größer als sein Schmerz. »Octavien! Bring ihn um!«
Tannhäuser hieb ihm das Knie ans Kinn und streckte ihn zu Boden.
Octavien erbleichte. Er legte die Hand an sein Florett.
»Wollt Ihr als Feigling gelten?«, fragte Dominic Le Tellier. »Oder gilt Eure Herausforderung noch?«
Tannhäuser starrte ihn an.
Der Hauptmann zog sich hinter seine Schottische Garde zurück.
Octavien antwortete: »Die Herausforderung gilt noch.«
»Dann habe ich die Wahl der Zeit, des Ortes und der Waffen«, sagte Tannhäuser.
Niemand erhob Einspruch dagegen.
»Jetzt, hier im Innenhof und mit diesen da.«
Tannhäuser zeigte auf zwei Morgensterne, die mit gekreuzten, eisenbeschlagenen Griffen über der Tür hingen. Ein Murmeln war aus der Menge zu hören. Octavien wurde noch bleicher.
»Ich habe keine Erfahrung mit einer solchen Waffe.«
Tannhäuser auch nicht. Er lächelte.
»Dann unterrichte ich Euch.«
Die Menge formierte sich auf dem Hof zu einem Quadrat, in dem die Duellanten um ihr Leben kämpfen würden. Tannhäuser reichte Grégoire sein Schwert und seinen Dolch.
»Grégoire, du bist mein Sekundant.«
Er deutete auf Octavien, der sich mit seinen Brüdern besprach.
»Ich werde diesen Mann umbringen, das verstehst du doch?«
Grégoire nickte. Er fuhr sich mit der Zunge über die gespaltene Lippe.
»Wenn jemand anders auf den Hof kommt, musst du mir sofort mein Schwert bringen. Lauf, so schnell du kannst. Packe es fest bei der Scheide und halte mir den Griff hin. Zeig mir das jetzt.«
Grégoire trat seine neuen Schuhe von den Füßen. Aus den Löchern in den Socken schauten blasige, blutende Zehen hervor. Der Junge holte tief Luft, packte das Schwert bei der Scheide und streckte Tannhäuser den Griff hin.
»So?«
»Genau. Du wirst ein guter Sekundant sein.«
»Werdet Ihr sterben, Sire?«
»Heute nicht.«
Tannhäuser nahm den Morgenstern zur Hand. Die Kette klirrte, als er sie auf Festigkeit prüfte. Die angelaufene Eisenkugel, die so groß war wie ein dicker Apfel, war über und über mit stumpfen pyramidenförmigen Stiften gespickt, mit denen Rüstungen durchdrungen werden sollten. Tannhäuser hatte noch nie eine solche Waffe benutzt. Er hatte den Morgenstern ausgesucht, weil er wusste, dass er Octavien bereits mit dieser Wahl schon fast besiegt hatte. Er sah, wie die Brüder um ihn herumstanden, klagten, wie ungerecht alles wäre, und damit seinen Kampfgeist noch weiter schwächten. Benedykt schluchzte, diesmal nicht vor Schmerzen.
Die Sonne war hinter das Dach des Westflügels gesunken und tauchte die neuen Ziegel und Kamine in flammendes Rot. Tannhäuser nahm den Morgenstern in die Linke und schwang ihn im Kreis, dass die Kugel an der Kette surrte. Er wandte dem Sonnenuntergang den Rücken zu und schritt vorwärts. Stille senkte sich über die Menge. Tannhäuser ging auf ein Knie, bekreuzigte sich und stand wieder auf. Er spürte viele Augen auf sich gerichtet. Er musterte die zuschauenden Hugenotten mit einer langsamen Kopfbewegung.
»Hat Octavien die Absicht, im Dunklen zu kämpfen?«
Octavien löste sich von seinen Brüdern, die ihm die Hände auf den Rücken schlugen, während sich ihre letzten Ratschläge in der Dämmerung verloren. Beim Näherkommen bewegte er prüfend den Morgenstern. Er verlagerte sein Gewicht ein wenig, um
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