Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Wenn sie später dort hingelangten, würde der Verkehr durch das Tor in die andere Richtung fluten, und das Tor wäre vielleicht sogar unpassierbar. Sie mussten als Erste durch das Tor gehen. Das Vieh würde die Miliz aufhalten; aber Garnier würde kaum mehr als eine halbe Stunde hinter ihnen sein. Und er würde nicht von einem Pferdewagen behindert. Sollte er gleich zum Platz gehen und die berittenen Männer jetzt erledigen? Nein. Dann würden sie ihn sofort verfolgen. Sie würden das ganze Viertel überschwemmen. Wie immer seine Chancen waren, der Wagen würde in einem Straßenkampf keine haben. Und Garnier würde ihn weit über die Stadt hinaus verfolgen; daran hatte er keinen Zweifel.
Er schleuderte Le Telliers Blut von der Klinge und steckte das Schwert weg.
Er musste dafür sorgen, dass Dominic sich der Verfolgung anschloss. Wenn diese beiden tot waren, dazu noch so viele andere, wie er nur niedermähen konnte, dann würde es wenig Überlebende geben, denen genug daran lag, ihn weiter zu verfolgen. Wenn jemand dann immer noch Mordgelüste verspürte, waren genügend Hugenotten in Paris übrig.
Tannhäuser dachte darüber nach, welche Waffen er für einen Kampf auf offener Straße hatte.
Seine einzige Waffe war er selbst.
Bei Vollmond? Eine gute Stelle finden, von der Seite zuschlagen. Sie auseinanderscheuchen wie Rebhühner. Er konnte sogar einen Bogen zur Stadt zurück schlagen und denen auflauern, die von der Brut noch übrig waren.
Er hob Le Telliers Kopf an einem Ohr hoch und zückte seinen Dolch.
»Orlandu.«
Orlandu wandte sich vom Fenster ab. Sein Gesicht war bleich.
»In der Eingangshalle findest du zwei Kürasse. Die hebst du auf und wartest. Auch Helme. Und nimm diesen Streitkolben mit. Stückeschreiber, gib mir deinen Gürtel.«
Er legte Le Telliers Kopf auf den Schreibtisch und fädelte den Gürtel durch zwei Einschnitte, die er in der Kopfhaut gemacht hatte. Die faltige Stirn wurde glatt gezogen, als er den Kopf am Gürtel anhob.
»Sieht zehn Jahre jünger aus, findest du nicht?«
Christian würgte.
Tannhäuser nahm die Armbrust und schob den Schnüffler vor sich her durch das Vorzimmer zum Treppenabsatz. Er blieb stehen.
»Garnier hat Carla in sein Zuhause geleitet.«
»Ja, Sire, genau, persönlich.«
»Du hast es ihm gesagt. Auf der Straße unten, ehe er gegangen ist.«
»Ihm was gesagt, Sire?«
»Dass ich diese Schweine im Haus des Druckers niedergemetzelt habe. So hast du ihn dazu gebracht, so schnell hierher zurückzukommen.«
»Nein, Sire. Ich habe ihm nur gesagt, dass wir wüssten, wer es getan hat, nicht dass Ihr es wart. Deswegen ist er so eilig zurückgekommen. Marcel hat ihm dann verraten, dass Ihr es wart.«
Tannhäuser trat ihn die Haupttreppe hinunter.
Er folgte ihm und schleifte die Matratze hinter sich her.
Er schlang die Schlaufe des geschlossenen Gürtels über einen Arm des Kronleuchters, der in der Eingangshalle hing. Das Gesicht war nach oben gerichtet, die Augen weiß, der Mund um den blutigen Knebel zu einem irren Lächeln verzerrt. Der Schatten, den die Kerzen warfen, ließ den Kopf wie eine Maske aus einer Komödie erscheinen, die ein Wahnsinniger geschaffen hatte.
Dieser Kopf wäre das Erste, was jeder sehen würde, der ins Haus trat.
Tannhäuser nahm Altans Waffen vom Geländer.
Er sah Orlandu, der die Rüstung unter einem Arm trug und ihn anschaute.
»Wird Dominic bei dem Anblick schreien und weglaufen? Oder wütend werden?«
»Erst das eine, dann das andere«, sagte Orlandu.
Tannhäuser hob sich das Weinfässchen auf die Schulter.
»Stückeschreiber, gib mir die Matratze, und bring den Korb mit.«
»Du willst, dass Dominic dich verfolgt?«, fragte Orlandu.
»Tote begleichen keine Rechnungen.«
Als Tannhäuser vor dem Haus unten an der Treppe ankam, tauchte Grégoire aus einer beinahe unsichtbaren Nische auf, die groß genug war, um ein Pferd und einen Wagen zu verbergen, und kam auf sie zugerollt. Er grinste, und Tannhäuser grinste zurück. Clementine schnaubte im Geschirr. Luzifer trottete zwischen ihren Vorderhufen.
Es tat Tannhäuser leid, dass er Grégoire nicht gebeten hatte, ein anderes Pferd zu besorgen. Aber wer wäre besser geeignet, einen Karren voller Dämonen durch die Hölle zu ziehen als Clementine?
»Ist es gut so?«, fragte Grégoire.
»Hohe Seiten und dicke Bohlen. Ich habe nie einen besseren Kriegswagen gesehen.«
Er lud das Fässchen und die Matratze auf. Grymonde erschien aus dem Viehhof und stützte sich auf die
Weitere Kostenlose Bücher