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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Partisane. Seine andere Hand hielt ein Junge, den Tannhäuser noch nie gesehen hatte. Der Junge war nass. Estelle kam hinter ihnen her. Amparo lag in ihrer Ziegenhaut im Hemd des Mädchens, an die Säule der Armbrust gelehnt, die Estelle in beiden Händen trug
    Tannhäuser sah, dass Orlandu prüfend auf diese Gruppe blickte.
    »Orlandu. Meine Mannschaft. Grégoire, Grymonde, Estelle und ihre Schwester Amparo.«
    »Amparo?«, fragte Orlandu.
    »Sie sind auch deine Schwestern.«
    »Meine Schwestern?«
    »Carla hat Amparo heute Nachmittag geboren.«
    Tannhäuser wollte lange und gründlich in das winzige Gesicht schauen, das im Mondlicht über den Rand des Weinschlauchs blickte.Aber er durfte sich nicht damit aufhalten. Er nahm die Bolzen aus seiner und Estelles Armbrust.
    »Ladet, wenn ihr es braucht. Wenn geschossen wird, halte diesen Brustpanzer über Amparo.«
    Er packte Waffen und Essen in den Wagen.
    Er hob Estelle hinterher. Dann schaute er den nassen Jungen an.
    »Wer bist du, Junge?«
    »Das ist Hugon«, antwortete Estelle.
    »Ich nehme an, die Stadt braucht einen neuen Polizeichef«, vermutete Grymonde.
    »Le Tellier war nur ein Hindernis«, sagte Tannhäuser. »Es gibt noch jede Menge mehr.«
    »Wo ist der kleine grüne Scheißkerl, Petit Christian?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht töten würde.«
    »Ich hoffe, ich habe das richtig verstanden. Überlass ihn mir.«
    Christian drängte sich näher an Tannhäuser.
    »Er bringt uns zu Carla«, sagte der.
    »Nun, ich kann euch auch zu Carla bringen«, meinte Hugon.
    Tannhäuser schaute ihn an. Hugon schaute zurück.
    »Hugon ist ihr gefolgt«, erklärte Estelle. »Er ist über den Fluss geschwommen, während die Soldaten Carla über die Brücke gebracht haben. Dann ist er zurückgeschwommen, und Rody hat ihn erwischt, und ich habe Rody erschossen.«
    Tannhäuser nahm die goldene Ordenskette vom Hals und hängte sie Hugon um.
    »Geh damit besser nicht schwimmen. Versuche auch nicht, sie so zu verkaufen, wie sie ist.«
    »Ich bin kein Narr. Ich schmelze sie ein.«
    Hugon ließ die Muscheln unter sein Hemd gleiten.
    Tannhäuser nahm ein Seil vom Wagen. Er wand es Christian um die Brust.
    »Hugon, welche Brücke sollten wir nehmen?«
    »Sie sind alle mit Ketten versperrt, außer der Müllerbrücke, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht ist. Eine überdachte Straße für die Getreidewagen führt durch die Mühlen. Sie ist bewacht.«
    Tannhäuser knotete das Seil straff. Er ließ die Hände fallen und wandte sich ab.
    Töten, um den Fluss zu überqueren. Töten, um wieder zurückzukommen. Das Tor. Die Straße.
    Einen Augenblick lang, ausgerechnet jetzt, da er es sich nicht leisten konnte, fühlte sich Tannhäuser völlig zerschlagen. Von all dem. Dem Blut. Den Gräueltaten. Dem Wahnsinn. Der Liebe. Er liebte diese Leute. Diese Kinder, die sich von ihm eine Sicherheit erhofften, die er ihnen nicht geben konnte, und eine Weisheit, die er nicht besaß. Er war ein Mann, der seine Frau suchte. Aber das stimmte nicht mehr. Er schaute auf die Kinder. Die Straße war menschenleer, bis auf sie.
    »Geht in euer Leben zurück«, sagte er.
    »Nein«, antwortete Estelle. »Unser Leben ist bei dir. Wir wollen nicht mit dir kommen, damit du dich um uns kümmerst. Das können wir selbst. Wir wollen einfach nur bei dir sein.«
    Er schaute sie an.
    »Keine Angst, Tannser.«
    Sie meinte es ganz schlicht. Und sie hatte recht. Er hatte Angst, nicht nur, dass sie sterben würden, sondern auch vor den Schuldgefühlen, die er haben würde, wenn er sie überlebte.
    »Wir könnten hier auf dich warten, sie werden uns nicht finden«, sagte Grégoire.
    »Nein.« Estelle schüttelte den Kopf. »Carla braucht den Wagen, und sie will Amparo zurück, und ich verlasse meine Schwester nicht, und Tannser macht das auch nicht, und der Drache kann mich nicht verlassen, weil ich sein Augenlicht bin. Aber du musst nicht mitkommen, Hugon.«
    »Oh, ich komme mit«, sagte Hugon. »Für Carla und für die Gambe.«
    Tannhäusers Kampfgeist war wiederhergestellt. Er beschloss, fröhlich zu sein.
    »Ja, lasst uns Musik machen. Orlandu, Hugon, steigt auf.«
    Grymonde stellte sich ohne Hilfe über Petit Christian. Christian starrte in das grausige Gesicht. Selbst er wusste nun, dass sein Leben und seine Hoffnungen vorüber waren.
    »Ich kenne dich. Obwohl ich blind bin. Du bist nichts als ein finsteres Loch im Stoff der Schöpfung.« Grymonde hielt inne. »Du bist der Gaukler.«
    »Er hat mich einem

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