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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Füßen zu liegen.
    Orlandu bückte sich und hob ihn auf. Er warf ihn zurück.
    »Ich brauche es nicht. Du schon.«
    Tannhäuser nahm das Gold wieder an sich.
    Orlandu schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Mattias. Es tut mir leid.«
    »Kopf hoch, Junge. Wir haben schon viel dunklere Zeiten miteinander durchgestanden.«
    Orlandu sagte: »Nicht annähernd so finstere.«
    Tannhäuser dachte an die Guva.
    Und an den Kopf von Sabato Svi. Und an Boras.
    Und an das Gewicht von Amparos Leiche.
    Diese Tage damals waren für ihn viel finsterer gewesen.
    Er grinste Orlandu zu.
    »Geh mit deinem Arm zu Monsieur Paré. Gleich morgen.«
    Orlandu bemühte sich redlich, das Grinsen zu erwidern.
    Tannhäuser wollte sich schon abwenden und gehen, denn einen besseren Augenblick dafür würde es nicht geben. Doch es war Orlandus Abschied, nicht seiner. Er wartete. Ein feuchter Windstoß ließ die Lampen aufflackern.
    Orlandu wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Er salutierte.
    Tannhäuser hob grüßend die Hand.
    Orlandu verschwand im Schatten.
    Tannhäuser kehrte zum Wagen zurück.
    Petit Christian hustete und keuchte zwischen den Vorderrädern. Seine nackten Füße bluteten. Seine Hose hing auf den Knöcheln. Er war von oben bis unten mit einem dreckigen, weißlichen Mehlfilm bedeckt, der ihn blendete und ihm Mund und Nase verstopfte.
    »Hugon, bring uns zu Garniers Haus.«
    »Wir kommen an der Miliz am Pont au Change vorbei«, sagte Hugon. »Ihr müsst denen wahrscheinlich auch eine Lektion erteilen.«
    »Grégoire, können wir die umgehen?«
    »Das wäre ein großer Umweg. Ich glaube, da kommen wir an noch mehr Wachen vorbei.«
    Auf dem Pont au Change befand sich eine Reihe von Läden, in denen Gold und Edelsteine verkauft wurden. Die hatten ihre eigenen Wachleute. Sergents außer Dienst. Aber die Miliz hatte die Aufgabe, die Brücke zu bewachen und nicht die Straße, die an ihr vorbeiführte.
    »Wir sehen nicht aus wie Hugenotten«, sagte Hugon.
    »Oder wie die Miliz. Banditen sind aber in Ordnung. Lass die Seitenwand herunter, nimm die Speere heraus und wirf sie in den Fluss, meinen aber nicht. Und schiebe das Weinfass näher zum hinteren Wagenende. Mein Infant.«
    »Bekomme ich wieder einen Stein der Unsterblichkeit?«
    »Wir brauchen wohl beide einen. Komm!«
    Tannhäuser nahm Grymonde beim Arm und führte ihn zu dem Wagen mit den Leichen. Er summte vor Fliegen. Tannhäuser hielt den Atem an, packte die Knöchel eines Mannes und zerrte den Leichnam herunter, führte Grymondes Hände zu den Knöcheln und nahm selbst den Mann bei den Armen.
    »Folge mir einfach.«
    »Die müssen aus der Conciergerie sein. Ich habe gehört, dass sich eine ganze Horde von Ketzern verhaften ließ und dass die Leute dann in den Zellen wie die Schafe abgeschlachtet wurden.«
    Sie luden die Leiche auf ihren Wagen, mit dem Gesicht nach unten und dem Kopf zum hinteren Ende der Ladefläche.
    »Du willst die Wachen reinlegen«, sagte Estelle.
    »Sehr gut. Es ist scheußlich, aber es dauert nicht lange.«
    Sie luden noch einen zweiten Leichnam auf den Wagen neben den ersten. Tannhäuser dachte, das müsste reichen. Er ließ die seitliche Klappe des Wagens offen. Er führte Grymonde neben Grégoire, wo er sich auf den Kutschbock setzte. Was für ein Paar die beiden abgaben! Tannhäuser spannte die Pistole.
    »Ihr drei jungen Leute da hinten, wenn es einen Kampf geben sollte, springt ihr vom Wagen und rennt. Hugon, du nimmst die beiden Taschen. Wenn ihr in sicherer Entfernung seid, schaut euch um. Wenn die Sache schlecht gelaufen ist, geht nach Hause in die Höfe. Mein Infant, verbirg deine Messer und halte den Kopf gesenkt. Sie könnten dich erkennen.«
    »Das will ich doch hoffen.«
    »Grégoire, mach die Kette vom Haken. Wickele sie dir ein, zwei Mal um das Handgelenk. Und lächle jeden, der uns begegnet, breit an. Estelle, Hugon, setzt die Helme auf.«
    »Der ist zu groß für mich«, sagte Estelle.
    »Umso besser. Mein Infant, vielleicht muss ich dich bitten zu lachen, bleib also hellwach.«
    »Lachen? Worüber?«
    Die Auffahrt zum Pont au Change, einer wichtigen Durchgangsstraße, war sehr viel ungeschützter als die zur Müllerbrücke. Tannhäuserwar mit Retz über diese Brücke gefahren. Eine Kette, drei Milizmänner. Wie die, die er gerade in der Seine bestattet hatte, trugen sie weiße Abzeichen, nicht die rotweißen Kennzeichen der Pilger. Als Tannhäuser neben dem Karren vorbeischritt, kam einer herbeigeeilt und forderte ihn auf, stehen

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