Die Blutnacht: Roman (German Edition)
seid fröhlich. Oder wenn das gegen die Vorschriften ist, nehmt ihn für eure Frauen mit nach Hause.«
Die Handwerker hoben das Fässchen vom Wagen, ehe ihr Kamerad einen Einwand erheben konnte.
»Monsieur, sagt mir«, fragte der Ladenbesitzer, »was ist aus dem Infanten geworden?«
»Seht selbst«, sagte Tannhäuser. »Da sitzt er.«
Seine Stimme wurde von einem wahnsinnigen Lachen übertönt.
Die Handwerker suchten mit ihrem Fässchen das Weite. Sie verstauten es und packten ihre Speere. Der Ladenbesitzer schlängelte sich hinter sie, und sie gingen im großen Bogen um den Karren, um Grymonde anzustarren.
Grymonde drehte den Kopf in ihre Richtung. Im flackernden Fackelschein gähnten die feuchten, weiß umrandeten Höhlen seiner Augen ausdruckslos über den riesigen gefletschten Zähnen, als wollten sie dem Betrachter einen kurzen Blick auf das Vorzimmer der Hölle geben.
»Gebt mir einen Stein der Unsterblichkeit, ihr Scheißkerle!«
»Wie Ihr seht«, sagte Tannhäuser, »hat er den Verstand verloren.«
Grymonde rasselte mit den Ketten. Die Milizmänner machten einen Schritt zurück.
»Die Bewegung des Wagens scheint ihn zu besänftigen«, erklärte Tannhäuser. »Aber wenn Ihr meint, dass wir hier auf den Hauptmann warten sollen, dann könnten wir ihn mit ein paar Litern Wein betäuben.«
»Ritter«, brüllte Grymonde ins Gesicht des Ladenbesitzers. »Einen Becher Wein!«
»Fahr weiter, Freund«, sagte der Färber. »Und herzlichen Dank für das Fässchen.«
Der Ladenbesitzer hatte nichts einzuwenden.
»Ich habe euch vielleicht mehr gesagt, als ich sollte«, meinte Tannhäuser. »Wenn Garnier also fragt, sagt ihm, dass Petit Christian die Sache im Griff hat, und belasst es dabei.«
Grymonde lachte darüber so gewaltig, dass die Wachen noch weiter zurücktaumelten.
»Wenn er nicht fragt, dann könnt ihr euch überlegen, ob ihr schlafende Hunde wecken wollt oder nicht.«
»Christian?«, fragte der Färber. »Was sagt der denn?«
Der wirkliche Petit Christian keuchte unter dem Wagen ein Wort, immer und immer wieder, wie eine Litanei.
»Kot!«, winselte Petit Christian.
»Vielleicht ist es der Titel seines nächsten Stücks?«, vermutete Tannhäuser.
Der Wagen bebte unter Grymondes Lachen.
»Keine schöne Art des Reisens«, meinte der Färber. »Was hat das arme Schwein denn verbrochen?«
»Er war der Liebhaber von Marcel Le Tellier …«, begann Tannhäuser.
Grymondes Gelächter schallte in den Himmel.
»Den er in einem mörderischen Eifersuchtsanfall umgebracht hat.«
Die Wachen starrten mit wachsendem Abscheu auf den dreckverschmierten Stückeschreiber.
»Wer hätte das gedacht?«, sagte der Ladenbesitzer.
»Ja«, meinte der Färber. »Mord ist schon schlimm, aber es mit einem Polizisten treiben?«
»Warum war er denn eifersüchtig?«, erkundigte sich der Ladenbesitzer.
»Wer weiß schon, was die da oben so treiben«, antwortete Tannhäuser.
Der zweite Handwerker hob seine Pike. »Habt Ihr was dagegen?«
Tannhäuser wollte ihm gerade sagen, dass sie dazu nicht die Zeit hätten, aber da bemerkte er, dass Estelle ihn ansah. Sie hatte ihren Helm zurückgeschoben, damit er sie nicht missverstand.
Tannhäuser wandte sich zu dem Handwerker mit der Pike.
»Solange Ihr ihn nicht umbringt oder das Pferd scheu macht, bitte, lasst Euch nicht abhalten.«
Der Handwerker ging in die Hocke. Knochen knirschten, als er Christian die Pike in Knöchel und Füße stieß. Christian hörte mit seiner Litanei auf und schrie. Dann lieh sich auch der Ladenbesitzer die Hellebarde aus und stach dem Stückeschreiber damit ins Hinterteil. Vielleicht das erste Blut, das sie sahen, da hatten sie was zum Prahlen.
»Nun, Kameraden, ich breche jetzt auf. Gott segne den König und den Papst in Rom.«
Der Segen wurde mit Begeisterung erwidert. Sie jubelten ihm beinahe zum Abschied zu.
»Christian!«, brüllte der Ladenbesitzer. »Wer sind die Kinder?«
Tannhäuser rief ihm über die Schulter zu: »Alles meine.«
Sie bogen nach Süden ab, entfernten sich vom Fluss. Garnier wohnte auf der ersten Straße in Richtung Osten. Falls ihre neuen Freunde ihnen hinterher sahen, fuhr Tannhäuser weiter nach Süden in die nächste Straße, ehe er umdrehte. Die Cité war ruhig. Hier waren den ganzen Tag lang Säuberungen durchgeführt worden. Er sicherte die Pistole. Bei einem Misthaufen hinter einem Gasthaus rollte er die beiden Leichen vom Wagen. Sie fuhren nach Norden, auf die Seine und Bernard Garniers Haus zu.
Es
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