Die Blutnacht: Roman (German Edition)
ganze Rigg leicht herunterlassen, um unter Brücken hindurchfahren zu können. Drei Ruder. Er holte das vierte vom Kai. Ein Bootshaken. Zwei Laternen. Er hob drei Schwerter auf und warf sie auf den Kai, dann verstaute er die Messer und ein viertes Schwert sicher unter dem Sitz des Steuermannes. Eine eingebaute Kiste, die er nicht öffnete. Er überprüfte das Ruder. Ein solides Boot, auf dem Fluss wie auf dem Meer. Er kletterte von Bord.
Er ging zu dem kleineren Boot und holte dort noch zwei Ruder und eine Laterne. Er pustete die Laterne aus und legte seine Funde zu den Schwertern am Kai.
Grymonde hatte sich nicht bewegt, seit er ihn dort verlassen hatte. Seine Hände waren noch immer um die Oberschenkel geklammert. Wäre nicht Blut aus seinem Hemd gequollen und oben aus den Stiefeln gelaufen, man hätte ihn für ein steinernes Götzenbild aus uralten Mythen halten können.
Tannhäuser ging an Grymonde vorbei zu Irènes Gasthof. Pascale kam ihm an der Tür entgegen. Sein Gewehr war an die Wand gelehnt. Seine Satteltaschen und zwei Pistolen im Holster hatte sich das Mädchen über die Schulter gelegt. Die doppelläufige Pistole steckte in ihrem Gürtel. Nur der Stolz hielt Pascale noch auf den Beinen. Hätte er noch ein Herz zu vergeben gehabt, es wäre bei ihrem Anblick gebrochen. Stattdessen rang er sich ein Lächeln ab. Es fiel ihm gar nicht schwer. Sie grinste zurück, und er sah wieder die Zahnlücke, die ihm gleich beim ersten Anblick etwas von ihrer Stärke vermittelt hatte. Er deutete auf die Peter-Peck-Pistole in ihrem Gürtel.
»Hat der Teufelslehrling nachgeladen?«
»Das ist leichter als Bleisatz.«
»Ich fürchte, das Leben auf dem Land wird eine große Enttäuschung für dich werden. Warte hier.«
Er nahm sie bei der Taille, zog sie zur Seite und ging durch die Tür.
Carla hatte Amparo im Arm, und Estelle und die Mäuse standen vor ihr und waren zum Aufbruch bereit. Hugon wartete hinter ihr, eine Tasche an jeder Hüfte und einen Sack in jeder Hand. Tannhäuser winkte sie nach draußen. Er nahm Pascale die Satteltaschen und Holster ab und lud sie noch Hugon auf, der ins Taumeln kam.
»Warum kann die das nicht tragen?«
»Bring diese Sachen ins Fischerboot. Achte darauf, dass das Pulver trocken bleibt.«
»All diese Sachen? Sonst ist nichts mehr da, ich trage alles.«
»Wenn die Last zu groß ist, kannst du mir gern die Goldkette zurückgeben.«
Hugon taumelte auf das Boot zu. Tannhäuser ging in die Küche. Er sah einen Weidenkorb voller Anmachholz. Er kippte den Küchentisch auf die Seite, zerrte ihn nach draußen und drehte ihn vollends um. Die Beine waren vorn und hinten mit Holzpaneelen versehen.
»Pascale, ich brauche Dinge, die leicht brennen. Anmachholz, Kerzen, Lampenöl. Pack alles auf diesen Tisch.«
Er legte den Arm um Carla und führte sie zum Fischerboot. Estelle und die Mäuse folgten ihnen.
»Es ist beim Louvre eine Schiffsbarriere quer über den Fluss, Boote, die aneinander gekettet sind. Die größere Gefahr droht vom rechten Flussufer, von Garnier. Am linken Ufer sollten es nur ein paar Wachleute sein und kaum jemand, der ihnen Verstärkung geben kann. Ich werde die Schiffsbarriere rechts von der Mitte rammen. Ich bringe den Kahn seitlich dorthin, das Heck nach Backbord. Das Feuer am Bug wird verhindern, dass sie vom rechten Ufer aus zu Fuß über die Barriere herüberkommen. Dann steige ich auf die Barriere und zerbreche sie.«
»Wie?«
»Eine Kette wird mich nicht aufhalten. Was denkst du?«
Carla wandte den Blick ab, um sich den Plan vorzustellen. Dann schaute sie wieder zu ihm hin.
»Eine Kette wird uns nicht aufhalten.«
Tannhäuser grinste. »Ich möchte, dass ihr mit dem Fischerboot zurückbleibt, bis ich euch ein Zeichen gebe, dass ihr mich auflesensollt. Sie werden wahrscheinlich auf mich schießen, aber wenn du, nachdem wir uns getrennt haben, um die Insel herumfährst, würde ich mich besser fühlen.«
»An der Spitze der Île de la Cité sind zwei Inselchen. Da können wir uns aufhalten.«
»Es gibt beim Hôtel-Dieu ein Dock. Ich bezweifle, dass man Notre-Dame bewacht. Wenn mein Plan nicht gelingt …«
»Ich will solche Sprüche nicht hören.«
»Carla, ich wollte es dir schon vorhin sagen. Du hast nie schöner ausgesehen.«
Sie lächelte. »Ich will auch keine Lügengeschichten hören.«
Die Welt um sie herum stand in Flammen, und doch hatte sie ein Lächeln für ihn, das seinen Mut stärkte. Ihr Mut überwältigte ihn. Er schluckte hart.
»Ich
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