Die Blutnacht: Roman (German Edition)
eine Art Wand, Sire?«
»Genau.«
Hervé deutete auf eine Ansammlung von Gegenständen am Kai. »Die habe ich auf dem anderen Kahn gefunden, Sire. Ich muss zugeben, das ist nicht ganz anständig, aber die werden wunderbar brennen. Pech zum Kalfatern in dem Eimer, und das Tau da ist auch geteert, und diese Regenplane ebenfalls. Die kann man drüber breiten, und schon brennt alles lichterloh.«
Tannhäuser wandte sich um, als Pascale und Hugon herbeigetaumelt kamen und den überladenen Tisch fallen ließen, den sie an denBeinen getragen hatten. Sie waren völlig benommen vor Erschöpfung. Hätte irgendein anderer außer Tannhäuser sie hier begrüßt, so wäre Pascale auf den Steinen zusammengesackt. Wäre sie nicht ein Mädchen gewesen, so hätte Hugon sich auch fallen lassen. Der Tisch war angehäuft mit brennbaren Dingen. Sie würden das Pech kaum benötigen.
»Hervorragend«, sagte Tannhäuser. »Jetzt möchte ich, dass ihr hier in dieser Grube ein Feuer macht. Schüttet das Pech über das Kohlebett, dann legt das Anmachholz darauf, aber schön locker, und lasst mir hinten eine Vertiefung für die Fackel. Als Nächstes …«
»Wir wissen, wie man ein Feuer macht«, fiel Hugon ein.
»Wir?«, fragte Pascale. »Ich dachte, du kannst Mädchen nicht leiden.«
»Kann ich auch nicht.«
Tannhäuser sah, dass Grymonde am Kai mit Estelle sprach. Er ging herüber. Der Infant hatte sich immer noch nicht bewegt, und seine Schmerzen waren so groß, dass ihm jedes Wort den Atem nahm.
»La Rossa, auf diesen Kais hier hast du mich einmal gefragt …« Grymonde zögerte. Er riss sich zusammen. Er strahlte sie mit seinen Zahnlücken an. »… ob wir eines Tages hier fortsegeln können.«
Estelle tanzte auf der Stelle. »Du erinnerst dich an jedes Wort!«
»Jetzt werden wir fortsegeln. Wir werden auf verschiedenen Booten sein. Und meines wird weiter fahren als deines. Wenn ich Glück habe, und in meiner Familie haben alle Glück, dann wird es auch schneller fahren als deines. Aber jetzt musst du dich an meine Worte erinnern. Wo du auch hingehst, ist der Drache bei dir. Immer.«
»Estelle«, sagte Tannhäuser. »Steig ins Fischerboot. Pass auf die Verwundeten auf.«
»Tannser, Pascale hat meine Peter Peck und gibt sie nicht wieder her.«
»Ich sorge dafür, dass du sie bekommst. Jetzt geh und hilf Carla und deiner Schwester.«
Estelle schaute zu Grymonde. Er nickte. Sie hüpfte weg. Tannhäuser hob die beiden Schwerter auf, die er Grymonde aus den Eingeweiden gezogen hatte.
»Ich bin eigentlich kein mitleidiger Mann«, begann er.
Grymonde biss die Zähne zusammen und lachte kurz. »Bitte, sei ruhig.«
»Sag nur ein Wort, und ich töte dich jetzt gleich.«
Grymonde stieß sich von seinen Oberschenkeln ab und richtete sich auf.
»Spar dir diese seltene Münze für jemanden, der sie wirklich braucht. Führe mich auf dein Höllenschiff.«
Grymonde schwankte. Tannhäuser wusste schon längst, dass er nicht in der Lage sein würde, den Kohlenkahn zu staken.
»Das Höllenschiff ist voll. Kannst du mit Rudern umgehen?«
»Ich bin an diesem Fluss geboren.«
»Ich will wissen, ob du die Kraft dazu hast.«
Grymonde tastete nach Tannhäusers Unterarm und drückte zu.
»Mein Infant, meine Hand wird schon schwarz.«
»Dann passt sie ja zu deiner finsteren Seele.«
»Carla hat das Ruder übernommen. Folge ihren Befehlen.«
»Ich folge den Befehlen deiner Frau, seit ich sie kenne.«
»Dann haben wir auch das gemeinsam.«
»Auch?«
Tannhäuser führte ihn zu dem Fischerboot, und Grymonde beschleunigte seine Schritte.
»Pascale wird die zweite Ruderbank übernehmen.«
»Muss dieses Mädchen mich auch noch beim Rudern übertreffen?«
»Wir sind da. Halt! Ich will, dass du dich auf deinen Hintern setzt, die Beine über die Kaimauer hängst. Dann packe ich dir von hinten unter die Arme und lasse dich langsam herunter.«
Tannhäuser ließ die Schwerter fallen. Mit einiger Mühe half er Grymonde, seine ungeheure Masse auf die Steinplatten niederzusetzen, und manövrierte seine Beine ins Boot, knapp hinter der vorderen Ruderbank. Er legte Grymondes rechte Hand auf die Bordwand und hielt das Boot mit beiden Armen ruhig.
»Dein linkes Bein ist gleich bei der Ruderbank. Lege deine linke Hand auf die Bank und setze dich hin.«
Grymonde beugte sich vor, stützte sein Gewicht auf die Hände, stöhnte und drehte und wendete sich und landete genau auf derSitzbank. Das Fischerboot schwankte. Estelle klatschte. Die Mäuse
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