Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Grégoire in Empfang, steckte den Dolch hinein und verstaute beides wieder hinten in seinem Gürtel. Er sagte auf Italienisch zu Stefano. »Du bist hierin mein Komplize.«
»Worin, Sire? Hier sind doch zwei tapfere königstreue Herren bei dem Versuch umgekommen, einen gefährlichen Rebellen zu verfolgen?«
»Stefano? Ihr habt Euren Anteil am Gold verdoppelt.«
Tannhäuser und seine Gruppe erreichten die Kreuzung, wo der schweflig stinkende Pulverdampf in der heißen, stickigen Luft hing. Überall lagen Leichen. Ein Dutzend verstörter Gefangener wurde mit Speeren zusammengetrieben und gezwungen, vor einer doppelt so zahlreichen Reihe von Schützen mit Hakenbüchsen Aufstellung zu nehmen. Letztere bliesen auf ihre Lunten und überprüften ihre Pulverpfannen. Eine Reihe gebrüllter Befehle, dann legten sie an und feuerten auf die unglückseligen Hugenotten, die in einem Wirbel von Blei und Rauch niedergestreckt wurden. Manche standen so nah an den Gewehrmündungen, dass ihre Kleidung kurz Feuer fing. Nicht alle waren bei dieser Gewehrsalve gestorben. Manche lagen da und flehten Gott um Errettung an, bis die Schweizer Garden sie mit ihren Glefen niedermähten, wie Gärtner Unkraut mit der Sense schneiden.
Nach einer kurzen Warnung von oben wurden auch aus Fenstern und von Dächern weitere Leichen heruntergeworfen. Anderswo schleiften Wachen im Fackelschein und im Schutz von Musketieren weitere Tote heran, manche nahmen dazu Pferde und Seile zu Hilfe. Ein einsamer Gewehrschuss erschallte jenseits der Dächer.
Immer noch läuteten überall in der Stadt die Glocken.
Tannhäuser rief einer Wache zu: »Du, Soldat, laufe in die Kirche und bringe diese elende Glocke zum Schweigen. Korporal?«
Er schaute zu Stefano. Der brüllte: »Tu, was Seine Exzellenz sagt. Schnell!«
Als sie sich dem Hôtel de Béthizy näherten, wurde klar, dass einige hugenottische Adelige sich gewehrt hatten, vielleicht bei dem Versuch gestorben waren, Admiral Coligny zu erreichen und zu verteidigen. Unter den Toten waren jedoch auch Männer mit weißenKreuzen an den Kappen und weißen Binden am Ärmel. Eine Reihe verwundeter Katholiken lag auf ausgebreiteten Umhängen oder Decken und wurde von Freunden versorgt. Die Leichen von Georges und Nicolo würden also kein Aufsehen erregen. Tannhäuser eilte weiter. In der benommenen Verwirrung, die auf ein Gemetzel folgt, beachtete sie niemand.
Weiter vorn auf der Straße trabten Reiter voran. Wer ihnen im Weg stand, wich eilends an den Straßenrand aus. Tannhäuser führte die Jungen zur Seite. Die Reiter waren prächtig gekleidet und ausgerüstet und saßen auf den herrlichsten Rössern des Landes. Selbst im Fackelschein schimmerten die Muskeln der Pferde, und ihre Hufe pflügten sich in großen Schritten durch den Morast. Tannhäuser wollte so ein Pferd. An der Spitze der Kolonne ritt ein Adeliger, der kaum älter als Georges war, aber ansonsten keinerlei Ähnlichkeit mit ihm hatte. Er erhob die Stimme.
»Vergesst nicht, es ist der Befehl des Königs!«
Tannhäuser begriff, dass dies Henri, der Herzog von Guise, war, der Anführer des katholischen Paris und Befehlshaber dieser nächtlichen Feierlichkeiten. Guise hatte in Saint-Denis, Jarnac und Moncontour gekämpft und war sogar nach Ungarn gezogen, um sich am Feldzug gegen die Türken zu beteiligen. Vielleicht verlangsamte er deswegen sein Pferd, als er das Malteserkreuz an Tannhäusers Brust gewahrte, und salutierte aus dem Sattel. Tannhäuser machte sich nicht die Mühe, den Gruß zu erwidern. Ihre Blicke trafen sich im Fackelschein, und Guise lächelte im Vorbeireiten, trunken von Blut und Erfolg. Einige seiner Gefolgsleute salutierten ebenfalls.
An der Straßenkreuzung wandte sich Guise zum Fluss. Als gerade der letzte Reiter außer Sicht war, hörte die Glocke der nahe gelegenen Kirche auf zu läuten. In der Ferne erklangen noch weitere Glocken, aber hier schien es trotzdem, als wäre endlich Stille hereingezogen.
Stefano sagte: »Da ist das Hôtel de Béthizy.«
Das schmale Gebäude und sein Innenhof waren weniger imposant, als Tannhäuser erwartet hatte. Die Fenster im zweiten Stock standen weit offen. Verschiedene Bewaffnete trieben sich im Hof herum. In der Gosse unter dem Fenster lag der blutüberströmte Leichnam eines alten Mannes im Nachthemd. Ein feiner Herrmeinte, er müsse der Leiche einen Tritt versetzen. Ein zweiter tat es ihm gleich. Tannhäuser begriff, wer der alte Mann war. Ein dritter Kerl machte sich daran, auf die
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