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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Hochgefühl, wenn sie im Wind ritt, und im Schlaf die herrlichsten Träume. Teilweise hatte sie diese Reise nach Paris unternommen, um dem Kind eine Liebe zum Abenteuer mitzugeben. Und an dieser wichtigen Wegkreuzung,so kurz vor der Geburt, würde sie es nicht mit Furcht und Verzweiflung nähren.
    Bei der Belagerung von Malta hatte sie gelernt, dass Hoffnung und Gottvertrauen selbst in der finstersten Stunde die Verzweiflung besiegen konnten und dass einem, wenn sie versagten, immer noch als letzte Zuflucht der Trotz blieb. Sie dachte erneut an Mattias. Sie hätte geduldiger sein sollen. Sie hätte nicht aus einer Laune heraus abreisen sollen. Sie konnte ihn lachen hören, als wollte er sagen, er hätte von ihr nichts anderes erwartet. Und sie sah sein Gesicht vor sich und glaubte, ihr Herz müsste zerspringen.
    Sie hörte ein Geräusch von der Straße und ging zum Fenster. Zwölf bewaffnete Männer marschierten in südlicher Richtung zur Place de Grève. Obwohl sie unfähig schienen, im Gleichschritt zu gehen, und keine Uniform trugen, hatte sich einer eine Trommel umgehängt, und ein anderer schwenkte eine Fahne. Alle hatten sich weiße Armbinden an den Ärmel und ein weißes Kreuz an den Hut geheftet.
    Carla lehnte sich aus dem Fenster.
    »Messieurs! Gute Herren, Eure Aufmerksamkeit, bitte!«
    »Das ist ein Hugenottenhaus«, sagte einer.
    »Erinnert ihr euch noch an Roger d’Aubray?«, fragte ein zweiter.
    »Ja, ein richtiger Mistkerl war der.«
    Der Anführer blickte zu ihr auf, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. »Bleibt im Haus.«
    »Eine Diebesbande bedroht uns mit Raub und Mord …«
    »Die Hugenotten haben einen Aufstand angezettelt. Wir Bürgermilizen wurden aufgerufen, um sie aufzuhalten.«
    »Sie haben versucht, den König zu ermorden!«
    »Gott erhalte Seine Majestät!« Lautes Jubelgeschrei folgte auf diese Worte.
    »Ich bin keine Hugenottin.« Die Worte blieben Carla beinahe in der Kehle stecken. »Ich bin eine katholische Adelige in höchster Gefahr. Und es sind Kinder im Haus.«
    »Bleibt zu Hause und verschließt die Türen. Das ist der sicherste Ort.«
    »Aber wir sind hier nicht in Sicherheit.«
    Wut kochte in ihr hoch. Die Kerzenflamme zitterte.
    »Bei eurer Ehre. Bleibt keiner von euch tapferen Männern hier, um mich zu verteidigen?«
    Die Miliz marschierte ohne ein weiteres Wort weiter. Als ihre Fackeln in der Dunkelheit verschwunden waren, meinte Carla zu spüren, dass sich auf der anderen Straßenseite im Schatten Gestalten bewegten. Sie hörte einen Hund bellen. Ein anderer antwortete, dann noch einer. Sie war sich sicher, dass sie jemanden fluchen hörte. Sie schloss das Fenster und berührte das kleine goldene Kruzifix an ihrem Hals.
    Gegen entschlossene Eindringlinge ließ sich das Haus nicht verteidigen. Es war im neuen Baustil errichtet, keine kleine Festung mehr wie früher die Häuser. Es hatte zu viele Fenster. Die sollten Licht hereinlassen, nicht Diebe fernhalten. Und draußen auf den Straßen würde der Tumult drei Frauen, vier Kinder und einen Diener einfach verschlingen. Estelle hatte gesagt, dass die Männer kamen, um Carla, die Frau aus dem Süden, zu holen. Gefährdete ihre Anwesenheit die Familie? Sollte sie allein mit Altan Savas aus dem Haus fliehen, wie er es vorgeschlagen hatte? Der Tempel war nicht weit weg, nur eine Viertelstunde, selbst in ihrem langsamen Tempo. Konnte sie Symonne und ihre Kinder ihrem Schicksal überlassen? Die Belagerung von Malta, die sie miterlebt hatte, hatte ihr ein Gefühl für unverbrüchliche Treue vermittelt. Aber wenn sie ihr Kind dadurch retten könnte, dass sie die anderen im Stich ließ, dann würde sie es tun. Sie würde sie alle sterben lassen.
    Sie dankte Gott, dass Orlandu nicht hier war. Sie wünschte sich, Mattias wäre da.
    Einen Augenblick fühlte sie sich völlig hilflos. Sie wollte sich plötzlich nur noch ergeben, diesem unbekannten Feind in die Hände liefern, jeglichen Widerstand aufgeben. Der Gedanke verschaffte ihr Erleichterung.
    Aber nein, sie musste fort.
    Sie ging zurück ins Zimmer der Kinder. Die waren halb angezogen und stritten sich. Sie wies sie erneut an, nach unten zu gehen. Antoinette, noch im weißen Nachthemd, begann zu weinen. Charité nahm sie bei der Hand.
    »Ins Wohnzimmer, jetzt gleich.« Carla stampfte mit dem Fuß auf. »Du kannst auch unten weinen.«
    Im Wohnzimmer waren die Musikinstrumente noch von der letzten Probe ausgepackt. Carla hatte keinen Plan, aber mit den Instrumenten konnte sie den

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