Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Paré, ich stehe in Eurer Schuld.«
»Ich danke Euch, dass Ihr Coligny beschützt habt.«
»Monsieur?«
»Ich sah Euch vom Fenster aus. Ihr habt sie daran gehindert, seinen Leichnam zu schänden.«
»Man sollte einen alten Soldaten nicht so behandeln. Das bedeutet, dass die Zukunft der Welt nichts wert ist.«
»Die einzig lohnende Zukunft ist die Vereinigung mit Gott.«
Tannhäuser sah, dass sich draußen das Licht von Indigo zu einem hellen Violett verändert hatte.
»Heute wäre ich schon für ein Wiedersehen mit meiner Frau dankbar. Um einen letzten Gefallen möchte ich Euch noch bitten. Könnt Ihr eine Hebamme empfehlen?«
»Eure Frau erwartet ein Kind? So bald schon?«
»Ja, wie bald, kann ich nicht sagen.«
»Dann empfehle ich Euch, sie zu mir zu bringen, je früher, desto besser.«
»Ihr werdet unser Kind auf die Welt holen?«
»Geburten sind das Thema meines nächsten Buchs. Keine Hebamme kann es mit mir aufnehmen.«
»Da fällt mir ein Stein vom Herzen.«
»Wusstet Ihr, dass Colignys Ehefrau auch hochschwanger ist? Er wollte Paris verlassen und zur Geburt bei ihr sein. Stattdessen …«
Tannhäuser gefiel dieser Zufall nicht. Er schien ihm ein böses Omen zu sein. Doch er verdrängte seinen Aberglauben und ließ sich Parés Adresse am linken Ufer geben, bevor er ging.
Tannhäuser stieg die Treppe hinunter, an den Wachen von Cosseins vorbei. Seine Füße rutschten über gerinnendes Blut. Ambroise Paré hatte sich einverstanden erklärt, Carlas Kind zu entbinden. Er hätte keinen wertvolleren Preis erringen können. Der Mann hatte sogar ein Buch über das Thema geschrieben! Vielleicht war dies der verborgene Grund für Carlas übereilte Reise? Bei dem Gedanken ging es Tannhäuser schon besser.
Er beschloss, fröhlich zu sein.
Im Hof draußen wartete Stefano in der Morgendämmerung. Das Licht fiel auf die Rue de Béthizy und die riesigen Blutlachen, die in den Gossen die Steine dunkelrot färbten. Tannhäuser winkte Stefano zu sich und sagte ihm, was er von ihm wollte. Stefano kniff dieLippen zusammen, verneigte sich aber zustimmend, ohne seinem Zögern Ausdruck zu verleihen.
»Strecke deine Hand aus.«
Das musste man Stefano nicht zweimal sagen. Sofort wurde seine Haltung untertänig, als Tannhäuser eine Doppeldublone in seine Hand gleiten ließ.
»Hattest du so was schon mal in der Hand?«
»Sire, ich weiß nicht mal, was das ist. Aber das Gewicht ist angenehm.«
»Es ist eine halbe Unze spanisches Gold zu zweiundzwanzig Karat. Wäre es reiner, würde es dir in den Fingern schmelzen. Für dich sind es vierhundert Sols.«
Ein gutes Monatsgehalt. Stefano sagte kein Wort.
»Wenn Orlandu bei unserem nächsten Treffen kein weiteres Unheil zugestoßen ist und du noch an seiner Seite bist, bekommst du zwei weitere. Sollten die Ereignisse es erfordern, dass er verlegt wird, geh mit ihm. Was immer geschieht, verlasse ihn nicht. Du bist schlau genug, Lombarts Befehle großzügig auszulegen, wenn es sein muss. Benutze Arnauld de Torcy als deinen Schutz. Wenn du und Orlandu woanders hingeht oder wenn ich sonst irgendwas wissen sollte, hinterlasse eine Nachricht für Mattias Tannhäuser im Torhaus des Louvre.«
»Sire.«
Als Stefano salutierte und einen Schritt zurücktrat, bemerkte Tannhäuser, dass man Coligny mit einem Seil an den Füßen aufgehängt hatte. Am anderen Ende war nur noch ein Nackenstumpf. Colignys Kopf war nirgends zu sehen. Tannhäuser schaute zu dem Schweizer.
»Anhänger von Guise«, erklärte Stefano. »Der Kopf soll in Salz eingelegt und nach Rom geschickt werden. Es sei dem Papst feierlich versprochen worden.«
»Das wird dem Pontifex sicher große Freude bereiten.«
»Das meinten sie auch.«
Juste sagte: »Ihr habt meine Brüder den Hunden vorwerfen lassen.«
»Stefano, du kannst gehen.« Tannhäuser wandte sich zu Juste. »Was?«
»Ihr wolltet nicht, dass man Coligny entehrte, doch meine Brüder habt Ihr den Hunden zum Fraß vorgeworfen.«
»Da geht es um verschiedene Prinzipien«, polterte Tannhäuser. »Verschiedene Traditionen.«
»Ist es, weil wir Polen sind?«
»Natürlich nicht. Ich habe euch für Normannen gehalten, so wild wie ihr wart.«
»Hat die Welt eine lohnende Zukunft, wenn Menschen andere Menschen den Hunden vorwerfen?«
»Ich weiß nur, dass zu viel Schlauheit junge Leute früh ins Grab bringen kann. Du selbst bist diesem Schicksal mindestens zweimal nur knapp entkommen.«
»Meine Brüder haben kein Grab. Wieso sollte ich eines
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