Die Börse (German Edition)
stehen, in entzückte Betrachtung versunken, in der alle ihre weiblichen Empfindungen sich auflösten. Flossen sie nicht alle zusammen in der Bewunderung des geliebten Mannes? Als der Maler, beunruhigt durch dieses Schweigen, sich vorbeugte und das junge Mädchen ansah, reichte sie ihm die Hand, ohne ein Wort hervorbringen zu können; nur zwei Tränen lösten sich von ihren Augen; Hippolyte ergriff die Hand, bedeckte sie mit Küssen, und einen Augenblick lang sahen sie einander stillschweigend an; alle beide wollten sich ihre Liebe gestehen, aber sie wagten es nicht. Der Maler behielt Adelaides Hand in der seinen, und die gleiche Glut und die gleiche Erregung verriet ihnen, daß ihre Herzen gleich stark pochten. In tiefster Bewegung machte sich das junge Mädchen sanft von Hippolytes Hand los und mit einem Blick voll Unschuld sagte sie: »Sie werden meine Mutter sehr glücklich machen.«
»Nur Ihre Mutter?« fragte er.
»Ach, ich, ich bin es ja schon allzusehr.«
Der Maler senkte das Haupt, überrascht von der Gewalt der Gefühle, die der Ton dieser Worte in seinem Herzen aufrührte. Da sie beide das Gefährliche dieser Situation erkannten, so gingen sie hinunter und hängten das Porträt an seinem alten Platze auf. Hippolyte speiste zum erstenmal bei der Baronin, die, zu Tränen gerührt, ihn umarmen wollte. Am Abend machte der alte Emigrant, ein alter Kamerad des Barons von Rouville, seinen beiden Freundinnen einen Besuch, um ihnen mitzuteilen, daß er eben zum Vizeadmiral ernannt worden war. Seine Schiffsreisen zu Lande durch Deutschland und Rußland waren ihm als Feldzüge zur See angerechnet worden. Als er das Porträt betrachtet hatte, drückte er dem Maler herzlich die Hand und rief aus: »Wahrhaftig, wenn auch mein altes Gerippe nicht wert ist, verewigt zu werden, so würde ich doch gern fünfhundert Pistolen bezahlen, um mich ebensogut getroffen zu sehen wie meinen alten Rouville.« Bei diesem Vorschlag sah die Baronin ihren Freund an und lächelte ihm zu, während sich zugleich auf ihrem Gesichte alle Zeichen der Dankbarkeit malten. Hippolyte glaubte zu merken, daß der alte Admiral mit dem Preise für sein Porträt ihm beide Bilder bezahlen wollte. Sein Künstlerstolz, vielleicht auch seine Eifersucht fühlten sich bei diesem Gedanken verletzt, und er erwiderte: »Herr Graf, wenn ich Porträtmaler wäre, hätte ich dieses Bild nicht gemalt.«
Der Admiral biß sich auf die Lippen und setzte sich zum Spiel nieder. Der Maler nahm neben Adelaide Platz, die ihm eine Pikettpartie vorschlug, worauf er einging. Während er spielte, beobachtete er bei der Frau von Rouville eine Spielwut, die ihn in Erstaunen setzte. Noch niemals hatte die alte Baronin einen so brennenden Wunsch, zu gewinnen, deutlich werden lassen, noch nie eine so lebhafte Freude bezeigt, wenn sie die Goldstücke des Edelmanns in der Hand fühlte. Ein böser Verdacht begann während des Abends Hippolytes Glück zu trüben und machte ihn mißtrauisch. Lebte Frau von Rouville vom Spiel? Spielte sie jetzt so, um eine Schuld zu begleichen, oder von der Not getrieben? Vielleicht hatte sie ihre Miete nicht bezahlen können. Dieser alte Herr schien doch klug genug zu sein, um sich nicht ungestraft sein Geld wegnehmen zu lassen. Welches Interesse zog ihn, den reichen Mann, in dieses arme Haus? Warum benahm er sich früher so vertraulich gegen Adelaide, und warum hatte er plötzlich auf diese Freiheiten verzichtet, auf die er vielleicht ein Recht hatte, und die man ihm gewähren mußte? Solche Gedanken trieben ihn unwillkürlich dazu, mit erneuter Aufmerksamkeit den Alten und die Baronin zu beobachten, deren Zeichen des Einverständnisses und deren anzügliche, auf Adelaide und ihn geworfenen Blicke ihm mißfielen. »Sollte man mich betrügen wollen?« Das war der letzte, fürchterliche, vernichtende Gedanke Hippolytes, dem er gerade genug Glauben schenkte, um davon gepeinigt zu werden. Er wollte noch, nachdem die beiden alten Herren gegangen waren, bleiben, um seinen Verdacht zu bekräftigen oder zu zerstreuen. Er hatte seine Börse gezogen, um Adelaide seine Schuld zu bezahlen; aber in seine bohrenden Gedanken versunken, legte er die Börse auf den Tisch und verfiel in eine kurze Träumerei; darauf erhob er sich, ärgerlich über sein Stillschweigen, beantwortete eine gleichgültige Frage der Frau von Rouville und näherte sich ihr, um, während er sprach, ihr altes Gesicht schärfer zu prüfen. Dann entfernte er sich, tausendfachen Ungewißheiten
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