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Die Börse (German Edition)

Die Börse (German Edition)

Titel: Die Börse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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starken Geruch nach Äther, mit dem man ihn sicher aus seiner Betäubung erweckt hatte. Schließlich erblickte er eine alte Frau, die wie eine Marquise des Ancien Regime aussah und die die Lampe hielt, während sie der jungen Unbekannten Ratschläge gab.
    Auf eine der Fragen, die der Maler stellte, während er noch unter dem Eindruck der Verwirrtheit seiner Sinne sich befand, die der Sturz verursacht hatte, antwortete das junge Mädchen: »Meine Mutter und ich haben gehört, wie Sie zu Boden stürzten und glaubten dabei ein Stöhnen zu vernehmen. Die Stille, die nach dem Sturz eintrat, hat uns erschreckt, und so sind wir eilig heraufgekommen. Da wir den Schlüssel in der Tür stecken sahen, haben wir uns glücklicherweise erlaubt, einzutreten und fanden Sie bewegungslos auf dem Fußboden liegen. Meine Mutter hat dann alles Erforderliche geholt, um Ihnen eine Kompresse anzulegen und Sie wieder ins Bewußtsein zurückzurufen. Sie haben sich an der Stirn verletzt, hier, fühlen Sie es?«
    »Jawohl, jetzt«, sagte er.
    »Oh, es wird nichts von Bedeutung sein«, fuhr die alte Mutter fort. »Ihr Kopf ist glücklicherweise auf die Gliederpuppe hier gefallen.«
    »Es geht mir schon erheblich besser,« erwiderte der Maler, »ich möchte nur einen Wagen haben, um nach Hause zu fahren. Die Portierfrau wird mir einen holen.«
    Er wollte nun nochmals den beiden Unbekannten seinen Dank aussprechen, aber die alte Dame unterbrach ihn mitten im Satze: »Denken Sie daran, sich morgen Blutegel setzen oder einen Aderlaß vornehmen zu lassen, trinken Sie einige Tassen eines Heilkräutertees und schonen Sie sich, solche Stürze sind gefährlich.«
    Das junge Mädchen betrachtete verstohlen den Maler und die Bilder im Atelier. Ihre Haltung und ihr Blick waren vollkommen dezent; sie sah nicht neugierig umher, sondern nur wie zerstreut, und ihr Blick schien das Interesse auszudrücken, das die Frauen mit selbstverständlicher Güte allem Unglück, das wir tragen, entgegenbringen. Die beiden Frauen schienen die Werke des Malers angesichts des leidenden Malers zu übersehen. Als er sie über sein Befinden beruhigt hatte, entfernten sie sich, nachdem sie ihn nochmals mit einer Sorgfalt untersucht hatten, die gleich weit von Übertreibung wie von Vertraulichkeit entfernt war, ohne indiskrete Fragen zu stellen und ohne ihm nahezulegen, sie kennenzulernen. Ihre Haltung zeigte eine Mischung von reiner Natürlichkeit und gutem Geschmack. Ihr vornehmes und dabei einfaches Äußere machte zuerst nur geringen Eindruck auf den Maler; aber später, als er sich aller Nebenumstände des Unfalls erinnerte, trat es ihm lebendig vor Augen. Als er bis zu dem Stockwerk, das unter dem Maleratelier lag, gekommen war, sagte die alte Dame leise: »Adelaide, du hast die Tür offen gelassen.«
    »Das geschah gewiß meinetwegen«, erwiderte der Maler mit dankbarem Lächeln.
    »Liebe Mutter, Sie waren ja selbst eben hinuntergegangen«, bemerkte das junge Mädchen errötend. »Wollen Sie, daß wir Sie bis nach unten begleiten?« fragte die Mutter den Maler. »Die Treppe ist ziemlich dunkel.«
    »Ich danke Ihnen, gnädige Frau, es geht mir viel besser.«
    »Halten Sie sich nur gut am Geländer fest.«
    Die beiden Frauen blieben auf dem Treppenabsatz stehen, um dem jungen Manne zu leuchten, solange sie seine Schritte hörten.
    Um ganz zu verstehen, wie eigenartig und unerwartet diese Szene auf den Maler wirken mußte, ist noch zu erwähnen, daß er erst seit einigen Tagen das Atelier im Dachgeschoß dieses Hauses bezogen hatte, das in dem dunkelsten, schmutzigsten Teil der Rue de Suresne, fast direkt vor der Madeleinekirche, gelegen war, ein paar Schritte von seiner Wohnung in den Champs-Elysees entfernt, Berühmt geworden durch seine Begabung, die ihn zu einem der gefeiertsten französischen Künstler gemacht hatte, begann er der Not ledig zu werden und genoß, wie er sich ausdrückte, das Ende seiner Armut. Um nicht mehr in einem der Ateliers draußen in der Vorstadt arbeiten zu müssen, deren bescheidene Miete mit seinem bisherigen bescheidenen Einkommen in Einklang stand, hatte er einen Wunsch, der sich täglich lauter geltend machte, endlich befriedigt, indem er sich einen langen Weg und den Verlust an Zeit ersparte, die ihm kostbarer als je geworden war. Kein Mensch war mehr geeignet, Interesse zu erregen, als Hippolyte Schinner, wenn er eingewilligt hätte, in die Öffentlichkeit hinauszutreten; aber er gewährte nicht so leicht jemandem Einblick in sein

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