Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Börse (German Edition)

Die Börse (German Edition)

Titel: Die Börse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
oder ein unentbehrliches Luftloch in Ordnung gebracht werden solle, so glühen ihre Augen, sie werden wütend und bäumen sich wie erschreckte Pferde. Wenn der Wind ein paar Ziegelsteine von ihren Schornsteinen heruntergerissen hat, werden sie krank und versagen sich, wegen der Reparaturkosten, in das Gymnase oder das Theater der Porte-Saint-Martin zu gehen. Hippolyte, der bei Gelegenheit gewisser Verbesserungen in seinem Atelier gratis eine komische Szene von dem Herrn Molineux vorgespielt bekommen hatte, war nicht überrascht von dem dunklen, fettigen Ton, der öligen Schmutzfarbe, den Flecken und sonstigen häßlichen Mängeln des Holzwerks. Diese Merkmale des Elends besitzen übrigens in den Augen eines Künstlers einen gewissen poetischen Reiz.
    Fräulein Leseigneur öffnete selbst die Tür. Sie erkannte den jungen Maler und begrüßte ihn; gleichzeitig wandte sie sich mit der Pariser Gewandtheit und der Geistesgegenwart, die der Stolz verleiht, um und schloß die Tür eines Glasververschlages, durch den Hippolyte an einer Wäscheleine aufgehängte Wäsche über einem Sparherde, ein altes Gurtbett, ein Kohlenfeuer, Plätteisen, einen Wasserausguß, Geschirr und all die andern Gegenstände kleiner Haushaltungen hätte sehen können. Ziemlich saubere Musselinvorhänge verbargen sorgfältig dieses »Kapernaum«, wie die vulgäre Bezeichnung für diese Art von Laboratorium lautet, das an trüben Tagen auch noch mangelhaftes Licht von einem Nachbarhofe empfing. Mit dem schnellen Blick des Künstlers umfaßte Hippolyte den Charakter, die Möbel, den Gesamteindruck und den Zustand dieses ersten Zimmers, das in zwei Teile geteilt war. Der bessere Teil, der gleichzeitig als Vorzimmer und als Eßzimmer diente, hatte eine alte rosafarbene Tapete mit einer sammetartigen Borte, zweifellos aus der Fabrik von Reveillon stammend, deren Löcher und Flecken sorgfältig mit Oblaten überklebt waren. Stiche nach den Alexanderschlachten von Lebrun in Rahmen, von denen das Gold abgegangen war, waren symmetrisch an den Wänden aufgehängt. In der Mitte stand ein massiver Mahagonitisch von altmodischer Form mit abgestoßenen Kanten. Ein kleiner Ofen, dessen gerades, knieloses Rohr man kaum bemerkte, stand vor dem Kamin, dessen Öffnung einen Schrank bildete. In eigenartigem Kontrast hiermit wiesen die Stühle Spuren vergangenen Glanzes auf, sie waren aus geschnitztem Mahagoniholz; aber das rote Maroquinleder der Sitze, die vergoldeten Nägel und der Golddraht wiesen so viele Narben auf wie ein alter Sergeant der kaiserlichen Garde. Das Zimmer war eine Art Museum von Dingen, die man nur in diesen widerspruchsvollen Haushaltungen findet, von solchen schwer zu benennenden Sachen, die ebenso an Luxus wie an Elend gemahnen. Unter andern merkwürdigen Dingen fiel Hippolyte ein kostbar verziertes Fernrohr auf, das über einem kleinen grünlichen Spiegel, mit dem der Kamin geschmückt war, hing. Zu diesem eigenartigen Mobiliar paßte ein zwischen dem Kamin und dem Verschlage stehendes schlechtes Büfett, das in der Farbe des Mahagonis gemalt war, eines Holzes, das sich von allen am schlechtesten nachahmen läßt. Aber der rote schlüpfrige Fußboden, die elenden kleinen Teppiche vor den Stühlen, die Möbel – alles war sauber abgerieben, was den alten Sachen einen falschen Glanz verlieh und ihre Mängel, ihr Alter und ihren langen Gebrauch noch deutlicher hervortreten ließ. Ein undefinierbarer Geruch herrschte in dem Zimmer, ein Gemisch von Ausdünstungen des Kapernaums, des Speisezimmers und der Treppe, obgleich das Fenster geöffnet war und die Straßenluft die Perkalvorhänge bewegte, die sorgfältig zugezogen waren, um die Fensternischen zu verhüllen, wo die früheren Mieter ihre Anwesenheit mit verschiedenen Schmutzüberzügen, einer Art häuslicher Fresken, verewigt hatten. Adelaide öffnete schnell die Tür zu dem andern Zimmer, in das sie den Maler mit einem gewissen Vergnügen hineinführte. Auf Hippolyte, der früher bei seiner Mutter die gleichen Zeichen der Bedürftigkeit gesehen hatte, machten sie den eigenartigen lebhaften Eindruck, der unsre frühesten Gedächtnisbilder kennzeichnet, und mehr als jedem anderen wurden ihm alle Einzelheiten dieses Milieus deutlich. Da er die Umgebung seiner Kindheit wiedererkannte, empfand der edeldenkende junge Mann weder Verachtung über diese verschämte Armut, noch Stolz bei dem Gedanken an den Reichtum, den er seiner Mutter zu verschaffen im Begriff war.
    »Nun, lieber Herr? Ich hoffe,

Weitere Kostenlose Bücher