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Die Börse (German Edition)

Die Börse (German Edition)

Titel: Die Börse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Sie spüren nichts mehr von den Folgen Ihres Sturzes«, sagte die Mutter, erhob sich von einem alten Sofa, das in der Kaminecke stand und bot ihm einen Sessel an.
    »Nein, gnädige Frau. Ich komme, um Ihnen für die freundlichen Dienste, die Sie mir geleistet haben, zu danken, und besonders dem Fräulein, die mich hat hinfallen hören.«
    Während er diese Worte mit der reizenden Unbehilflichkeit äußerte, mit der die erste Verwirrung echter Liebe den Geist zu trüben pflegt, betrachtete Hippolyte das junge Mädchen. Adelaide zündete die Lampe mit der doppelten Luftzuführung an, um ein Licht nicht sehen zu lassen, das in einem großen kupfernen Handleuchter steckte, an dem an mehreren Stellen die Kerzenmasse stark herabgeflossen war. Sie verbeugte sich leicht, brachte den Leuchter in das Vorzimmer, stellte die Lampe auf den Kamin und setzte sich neben ihre Mutter, etwas von dem Maler entfernt, um ihn nach Belieben betrachten zu können, während sie sich anscheinend eifrig an der Lampe zu schaffen machte, deren Flamme, von der Feuchtigkeit des beschlagenen Zylinders getrübt, hin und her flackerte und im Kampfe mit einem verkohlten, schlecht beschnittenen Docht war. Als Hippolyte den großen Spiegel über dem Kamin wahrnahm, benutzte er ihn, um seinerseits sofort Adelaide bewundernd zu betrachten. Die kleine List des jungen Mädchen diente daher nur dazu, sie beide verlegen zu machen. Während er mit Frau Leseigneur – Hippolyte nannte sie unbefangen mit diesem Namen – plauderte, sah er sich unauffällig und verstohlen in dem Salon um. Die ägyptischen Figuren der eisernen Feuerböcke in der Feuerstelle waren kaum zu erkennen; diese lag voll Asche, und zwei Feuerbrände versuchten vergeblich, sich vor einem imitierten Holzkloben aus Terrakotta zu vereinigen, der ebenso sorgfältig vergraben war wie der Schatz eines Geizhalses. Ein alter, stark ausgebesserter, sehr fadenscheiniger und wie der Rock eines Invaliden abgenutzter Aubussonteppich bedeckte den Fußboden nicht ganz, dessen Kälte man an den Füßen verspürte. Die Wände waren mit einer rötlichen Tapete, die einen gelbgemusterten Stoff vorstellen sollte, versehen. In der Mitte der dem Fenster gegenüberliegenden Wand entdeckte der Maler einen Riß und Brüche in der Tapete, die von den Türen eines Alkovens verursacht waren, in dem jedenfalls Frau Leseigneur schlief, und die ein Sofa, das vor diese versteckte Öffnung gestellt war, nur schlecht verbarg. Dem Kamin gegenüber, oberhalb einer Kommode aus Mahagoni mit reichen und geschmackvollen Verzierungen, hing das Porträt eines hohen Offiziers, das der Maler bei der schlechten Beleuchtung nicht erkennen konnte; aber das Wenige, was er davon sah, ließ ihn annehmen, daß dieses schauderhafte Stück in China gemalt sein müsse. Die rotseidenen Vorhänge an den Fenstern waren ebenso verblaßt wie die gelben und roten Möbelbezüge dieses Salons mit zwei Ausgängen. Auf der Marmorplatte der Kommode trug ein kostbares Tablett aus Malachit ein Dutzend Kaffeetassen mit prächtiger Malerei, die sicher aus Sèvres stammten. Auf dem Kamin stand die unvermeidliche Uhr im Empirestil, ein Krieger, der am Zügel die vier Pferde eines Wagens führte, dessen Räder an jeder Speiche eine Stundenziffer trugen. Die Kerzen auf dem Armleuchter waren vom Rauch gelb geworden, auf den beiden Ecken des Gesimses sah man Porzellanvasen mit Moos und künstlichen Blumen voller Staub. In der Mitte des Zimmers bemerkte Hippolyte einen aufgeschlagenen Spieltisch mit neuen Karten. Für einen. Beobachter lag eine gewisse Trostlosigkeit in dem Bilde dieses geschminkten Elends, wie wenn ein alles Weib mit ihrem Gesicht Jugend vortäuschen will. Dieses Schauspiel hätte jeden gesunden Menschenverstand im stillen sofort vor ein Dilemma gestellt: entweder waren die beiden Frauen die Anständigkeit selbst, oder sie lebten von Intrigen und vom Spiel. Beim Anblick Adelaides aber mußte ein so rein empfindender junger Mann wie Schinner an die vollkommenste Unschuld glauben und für dieses widerspruchsvolle Interieur nur ehrenhafte Gründe annehmen.
    »Mein Kind, mir ist kalt,« sagte die alte Dame zu dem jungen Mädchen, »mach etwas Feuer und gib mir meinen Schal.«
    Adelaide ging in das anstoßende Zimmer, in dem sie gewiß schlief, und brachte der Mutter einen Kaschmirschal, der neu sehr kostbar gewesen sein mußte, denn er hatte ein indisches Muster; aber alt, abgenutzt und vielfach ausgebessert, wie er war, paßte er zu dem übrigen. Frau

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