Die böse Brut
etwas hinzu, das ihn irritierte. Auf der Stirn des Jungen malte sich ein Kreis ab, der allerdings mehr eine ovale Form besaß und einem Ei ähnelte.
»Hattest du Streit mit deinen Freunden?«
»Nein.«
»Wer verfolgt dich denn?«
»Es sind vier Männer.«
Der Geistliche räusperte sich. Er schüttelte den Kopf, weil er sich das schlecht vorstellen konnte. Ein elfjähriger Junge, der von vier Männern verfolgt wurde, das kam ihm mehr als spanisch vor.
»Sie müssen mir glauben!«, flüsterte Damiano.
»Ja, ja, ich glaube dir gern. Aber...«, er hob hilflos die Schultern an. »Ich... ich... kann mir wirklich keinen Reim darauf machen. Warum sollten dich vier Männer mitten in der Nacht verfolgen?«
Damiano hatte auf diese Frage gewartet und sich bereits eine Antwort zurecht gelegt. »Sie verfolgen mich, weil sie mich töten wollen, wenn ich nicht das tue, was sie sich vorstellen«, erwiderte er mit dem altklugen Tenor eines Erwachsenen in der Stimme und brachte den Pfarrer noch mehr aus dem Konzept.
»Töten, hast du gesagt?«
»Ich lüge nicht.«
Der Geistliche verdrehte die Augen. »Wer will denn ein Kind töten? Wer kann das...«
Damiano ließ den Mann nicht ausreden. Er wusste, dass die Wahrheit bitter war, aber sie musste gesagt werden. »Sie wollen mich im Namen des Satans töten, wenn ich nicht zu ihnen gehöre. Und deshalb jagen sie mich, nur deshalb.«
Dem Pfarrer blieb vor Staunen der Mund offen. Er schlug hastig ein Kreuzzeichen, denn er war es nicht gewohnt, derartige Worte in seiner Kirche zu hören.
Er wusste auch nicht, ob er dem Jungen glauben sollte.
»Was sagst du da nur, Junge?«
»Die Wahrheit.«
Der Geistliche fühlte sich überfordert. Er warf einen kurzen Blick zum Seitenaltar, der im Licht der Bittkerzen lag. Er sah das Kreuz, er sah die Frauen, die knieten und beteten, und er schaute auch auf die frischen Blumen, die jemand in die große Metallvase gestellt hatte. Diese Welt war ihm bekannt. In ihr lebte er. Sie gehörte zu ihm, aber nicht das Reich, von dem der Junge gesprochen hatte. Das war alles so weit weg. Damit wollte er auch nichts zu tun haben.
»Wie heißt du?« Es war eine Frage, die das Gespräch in Gang hielt, mehr nicht.
»Damiano.«
»Ein ungewöhnlicher Name.«
»Ich weiß es.«
»Hast du keine Eltern?«
Der Junge gab darauf keine Antwort. Er drehte den Kopf, um gegen die Tür zu schauen. Sie blieb geschlossen, und es war auch von außen nichts von den Verfolgern zu hören.
»Sie müssen mich verstecken.«
Mit dieser Forderung hatte der Pfarrer gerechnet, deshalb war er auch nicht überrascht, doch der Vorschlag kam ihm etwas zu schnell. »Ich weiß nicht, ob ich das wirklich soll, Junge. Das ist nicht so einfach. Da könnte jeder kommen und behaupten, dass er verfolgt wird.«
»Bei mir stimmt es.«
»Das müsste ich prüfen.«
»Nein, nein, bitte nicht. Auf keinen Fall. Glauben Sie mir!« Damiano flehte ihn an. »Ich habe nicht gelogen. Es sind vier Männer, und sie mögen den Teufel.«
»Ja, schon...« Der gute Mann wusste nicht, was er denken und sagen sollte. Das Auftauchen des Jungen hatte ihn einfach überfordert. Er suchte nach einem Ausweg.
Schließlich kam ihm eine Idee, und er fragte: »Du hast Angst, Junge, nicht wahr?«
»Ja, die habe ich.«
»Es ist wichtig, die Angst zu überwinden, und dagegen weiß ich ein gutes Mittel. Es ist das Gebet, Junge, nur das Gebet. Hier steht der Altar. Eine Bank ist auch vorhanden. Knie dich nieder, und suche Trost im Gebet. Nur das Gebet ist in der Lage, die Angst zu vertreiben. Vertraue auf unseren Herrn.«
Damiano hatte schweigend zugehört. In seinem Gesicht veränderte sich etwas. Es war beinahe so etwas Ähnliches wie ein entsetzter Ausdruck, den der Pfarrer jetzt sah, als hätte er dem Jungen einen furchtbaren Vorschlag gemacht.
»Ich kann nicht...«
»Was kannst du nicht?«
Damiano deutete auf den Altar, ohne direkt hinzuschauen. »Das, was Sie gesagt haben.«
»Aber das Gebet gibt immer Trost. Es gibt Kraft und auch Hoffnung. Du musst es tun. Es ist der wahre Weg zum Ziel. Nur so kannst du es erreichen.«
»Nein!«
Der Geistliche erschrak über den fast bösartigen Ausdruck im Gesicht des Jungen. Dort stand die Abwehr in seinen Zügen wie eingemeißelt. Es war ihm anzusehen, welch einen Widerwillen er empfand.
Der Pfarrer blieb hart. »Dann kann ich dir auch nicht helfen, mein Junge.«
»Wollen Sie, dass der Teufel gewinnt? Er hat mich schon fast in seinen Klauen. Es ist für mich eine
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