Die böse Brut
Qual, hier in der Kirche zu stehen. Das ist wie Schmerzen.« Er deutete auf sein Gesicht und meinte damit eine bestimmte Stelle auf der Stirn. »Schauen Sie mich an. Da... da... da ist das Zeichen.«
Der Pfarrer wusste zunächst nicht, was er sagen sollte. Dann fragte er: »Die Zahl?«
»Ja, die Null.«
»Warum hast du sie?«
»Ich gehöre dazu. Sie haben gesagt, dass ich so wichtig für sie bin. Ich muss zu ihnen gehören. Sie wollen mich... sie... sie mögen den Teufel. Sie lieben ihn. Ich soll ihn auch lieben. Sie zwingen mich, aber ich kann es nicht. Verstehen Sie?«
»Nein, so genau nicht. Aber ich bleibe trotzdem bei meinem Vorschlag. Es ist wichtig, wenn man betet. Man muss Vertrauen haben. Vertrauen in unseren Herrn, der den Teufel besiegt hat und...«
Ein wildes Kopfschütteln des Jungen unterbrach den Priester. »Nein, nein!«, keuchte Damiano dann, »das stimmt nicht. Der Teufel ist nicht besiegt. Er ist noch da, verstehen Sie? Das haben mir die anderen immer wieder gesagt. Sie kennen und sie lieben ihn. Es gibt ihn, es gibt die Hölle, und sie wollen den Menschen die Hölle bringen, und ich bin dabei.«
Der Pfarrer dachte nach. So einen Menschen wie diesen Jungen hatte er noch nie zuvor erlebt. Es war ihm unmöglich, seinen Worten zu folgen. Er wollte sie ablehnen und hätte es ihm auch sagen müssen, doch er brachte es einfach nicht fertig. Seine Kehle war wie zugeschnürt... so stand er nur da und schaute den jungen Besucher an.
Sein Gesicht war noch immer sehr blass, als trüge er eine Maske. Dunkle Augen lagen tief in den Höhlen. Die kleine Nase, der schmale Mund mit den bleichen Lippen, das alles kam ihm vor, als wäre diese Person ein Kunstgeschöpf.
Der Geistliche war ein Mensch wie alle anderen auch. Er kannte Freude und auch Angst. Was er in diesen Augenblicken fühlte, das wusste er selbst nicht zu sagen. Zum einen bemitleidete er den Jungen, zum anderen fürchtete er sich fast vor ihm. Deshalb musste er einen Weg für eine vertrauensbildende Maßnahme finden.
Ich bin übrigens Pfarrer Avery Blend. Ich denke, wir sollten uns in Ruhe unterhalten.
»Nein, das geht nicht.«
»Warum geht das nicht?«
»Weil sie schon da sind. Ich spüre es. Ich weiß es. Sie sind nicht mehr weit entfernt, sie suchen mich. Ich bin hier nicht sicher. Ich muss mich verstecken. Oder bringen Sie mich heimlich weg. Schnell an einen anderen Ort.«
»Woran denkst du denn?«
»Das weiß ich auch nicht. Ich kenne mich hier nicht aus. Aber Sie, Mr. Blend.«
»Nein, ich bin...
»Haben Sie keine Wohnung?«
»Schon. Aber...«
»Dahin müssen wir gehen, und wir müssen uns beeilen, sonst bin ich verloren.« Damiano schoss seinen letzten Trumpf ab. »Aber auch Sie werden das sein.«
Avery Blend war überrascht. Nicht nur allein von der Vorstellung, dass ihm etwas passieren könnte, sondern auch, weil der Junge wie ein Erwachsener redete. Das war mehr als ungewöhnlich, und deshalb fing der Geistliche an, dem Jungen allmählich zu glauben. Er war nie von seiner Meinung abgewichen. Das schaffte nur jemand, der vieles erlebt hatte und die Wahrheit sprach, mochte sie dem Pfarrer noch so unglaublich erscheinen.
»Bitte.«
Blend schaute zum Altar hin wie jemand, der sich eine bestimmte Antwort wünscht. Er bekam keine. Nach wie vor gaben nur die zahlreichen Kerzen ihren Schein ab.
»Tja, ich weiß wirklich nicht, was ich mit dir anstellen soll, mein Junge.«
»Retten Sie mich!«
»Ich bin kein Retter. Das kann nur unser Herr Jesus Christus.«
»In diesem Fall sind Sie es.«
Avery Blend suchte nach einem Kompromiss. Der Junge stand unter einem wahnsinnigen Druck, das sah er. Aber ob ihn tatsächlich die Diener der Hölle jagten, war fraglich. Das war ihm zu weit weg. Es gab die Hölle, es gab auch Menschen, die abgrundtief schlecht waren, doch das war bisher nur alles in der Theorie so gewesen. Man konnte daran glauben, aber die Wirklichkeit hatte für ihn bisher immer anders ausgesehen.
Bis jetzt!
Nun hatte ihn der Junge aus seinen Träumen gerissen und den Glauben in eine Tatsache verwandelt. Die Hölle war plötzlich so greifbar und nahe geworden.
Ja, der Junge war nicht unbedingt normal. In ihm steckte ein bestimmtes Potenzial, das nicht in seine Welt hineinpasste. Er würde sich trotzdem damit abgeben müssen.
»Gut, dann werde ich...«
Der Krach riss ihm die weiteren Worte von den Lippen. Avery Blend schrak zusammen, und noch in der gleichen Sekunde hatte er das Gefühl, im falschen Film zu
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