Die böse Brut
sein.
Die Seitentür der Kirche wurde durch einen harten Schlag aufgestoßen. Sie jagte so weit in das Innere hinein, dass sie mit der Klinke gegen die Mauer prallte. Zurück schwang sie nicht mehr, und so war der Blick des Pfarrers frei auf die vier in Schwarz gekleideten Männer, die sich auf der Türschwelle drängten...
***
Avery Blend war in diesem Augenblick unfähig, etwas zu unternehmen. Er sagte nichts, er konnte nicht mal atmen, denn dieses Quartett kam ihm vor wie aus der Hölle entsprungen.
Es waren Männer, und trotzdem besaßen sie eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Jungen, denn auch sie trugen die dunkle Kleidung, hielten aber ihre Augen hinter Sonnenbrillen versteckt, hatten die schwarzen Haare wie zu Standardfrisuren in die Höhe gekämmt, und auf den blassen Stirnen malten sich in roter Farbe die Zahlen ab.
Der Pfarrer musste daran denken, dass der Junge von den Dienern des Teufels gesprochen hatte. Sahen sie so aus wie diese vier? Er konnte die Frage nicht beantworten, doch er spürte, dass von diesen so fremden Gestalten etwas ausging, das ihm einfach nicht gefallen konnte. Sie wirkten bösartig. Sie erinnerten an gefallene Engel, die als Todesboten zurück auf die Erde gekommen waren, um sich die Menschen zu holen. Grausam, kalt, ohne Gefühl, und erst jetzt musste der Geistliche dem Jungen Recht geben.
Er machte sich die größten Vorwürfe, weil er nicht schneller reagiert und Damiano in Sicherheit gebracht hatte, doch jetzt war es zu spät für ihn.
Damiano hatte seine Starre als Erster verloren. Er zitterte plötzlich so stark, als wäre er von einem Fieberschauer erwischt worden. Seine Zähne schlugen dabei aufeinander. Der Mund verzog sich wie bei einem Menschen, der Essig getrunken hat. Er stand auf der gleichen Stelle. Er hatte sich auch nicht gedreht und schaute die Männer deshalb nicht an. Aber er wusste auch so Bescheid.
Und dann startete er. Der Pfarrer war so überrascht, dass er fast gefallen wäre, als der Junge gegen ihn prallte. Im letzten Moment klammerten sich beide aneinander fest, und Damiano blieb vor dem Geistlichen stehen, der seine Arme um ihn geschlungen hatte und den vier düsteren Gestalten klar machte, dass der Junge ab jetzt unter seinem Schutz stand.
»Ruhig, Kleiner, ruhig, dir wird nichts passieren, das verspreche ich dir.«
Seine Worte bewirkten bei den Männern nur ein kaltes Lächeln. Bis der erste fragte: »Glaubst du wirklich, dass du dein Versprechen halten kannst?«
»Ja.«
»Du irrst dich!«
Avery Blend fasste wieder Mut. Auch das Zittern des Jungen hatte aufgehört, und so stemmte er sich gegen die Übermacht. »Verlasst die Kirche! Hinweg mit euch! Ich will euch nicht mehr sehen. Das ist ein Gotteshaus und keine Heimstatt des Teufels.«
Sie lachten ihn aus. Alle begannen zu lachen, und dieses Lachen empfand der Pfarrer als schrecklich. Es klang böse, es klang triumphierend und wissend zugleich. Es machte dem Geistlichen Angst, der wegwollte, es aber nicht konnte, denn es gab irgendeine Kraft, die ihn praktisch auf dem Fleck hielt.
Er schaute nach rechts, nach links, und dann sah er, wie sich einer der Männer bewegte. Nur seinen rechten Arm, den er bis zur Hälfte unter seinen offen stehenden Mantel schob. Er bewegte sich nicht einmal schnell, aber Blend schaute im nächsten Augenblick auf den Lauf einer Pistole, die durch den aufgesetzten Schalldämpfer ziemlich lang und klobig wirkte.
»Gib ihn uns!«
»Nein!«
Der Junge zitterte wieder.
»Gib ihn uns, zum letzten Mal!«
Es gab Momente, da war Avery Blend sehr stur, und da ging er mit dem Kopf durch die Wand. So geschah es auch hier. Er fühlte sich bemüßigt, nicht nur den Jungen zu verteidigen, sondern auch seine Kirche, für die er die Verantwortung trug. Sie war sein Heim und seine Wohnung, und sie durfte auf keinen Fall beschmutzt werden, so und nicht anders sah er es.
»Weg mit euch! Hinweg aus meiner Kirche, ihr Sünder!« Er dachte daran, dass auch Jesus die Zöllner und Händler aus dem Tempel getrieben hatte, und in diesen Augenblicken fühlte er sich ihm sehr nahe.
Dann sah er das Licht!
Ein kurzes Aufflammen nur im Bereich des Schalldämpfers an der Mündung. Er hörte auch ein seltsames Geräusch und spürte noch in der gleichen Sekunde den heftigen Schlag, der ihn genau zwischen seinen Augen erwischte.
Er sah nichts mehr. Schlagartig überkam ihn die Dunkelheit. Auf seiner Stirn malte sich ein Loch ab. Der Pfarrer gab keinen Laut mehr von sich. Der Treffer hatte
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