Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
bezahlen müsste, Hedwig. Ich habe von Friedrich gerade genug Geld bekommen, um die Reise und die Knechte zu bezahlen. Bevor ich weiß, welche Kosten mich hier erwarten, kann ich keine Männer anwerben, die jederzeit drei bessere Angebote von reicheren Herren annehmen können.«
Hedwig beugte sich auf der steinernen Bank vor und berührte seine Hand. » Aber es wird doch ein paar ehrenhafte Männer geben, die es tun, um einer Frau in Not zu Hilfe zu eilen.«
Er schüttelte unwillig den Kopf. » Irina ist keine Frau von Stand. Und sie ist… Nun, du willst nicht, dass zu viel Aufmerksamkeit auf die Frage gelenkt wird, wer der Vater ihres Kindes ist, nicht wahr? Es könnte öffentlich werden, dass sie bereits länger als ein Jahr Witwe ist.«
Hedwig hätte ihm gern entgegnet, dass Irina keine Schuld an ihrer Schande trug, doch da sie es nicht aufrichtig tun konnte, ohne ihm von beiden möglichen Vätern und den Umständen der Zeugung zu erzählen, schwieg sie. Sie konnte ihm weder sagen, dass es das Kind seines verworfenen Bruders Ludwig war, solange sie alle sich an König Sigismunds Hof befanden, noch brachte sie es über sich, Cord in diesem Zusammenhang überhaupt zu erwähnen.
Ludwig, der es meisterhaft verstand, ihr und Wilkin gegenüber eine gleichgültige Höflichkeit zu heucheln, ekelte sie maßlos an. Er war füllig, sein ovales, rasiertes Gesicht glänzte stets fettig. Obgleich er vier Jahre jünger war als Wilkin, verfügte er über eine größere Barschaft und ließ das bei jeder Gelegenheit sehen. Selbst wenn Hedwig das Ausmaß seiner Verdorbenheit nicht gekannt hätte, hätte sie ihn nicht gemocht. So aber war seine Anwesenheit die Krönung einer ohnehin für sie unangenehmen Lage.
Sie spürte, wie wichtig es für Wilkin war, dass sie bei Hof einen vorteilhaften Eindruck machte. Deshalb hatte sie sich rasch all den Prozeduren unterzogen, die aus ihr eine untadelhafte und ansehnliche Edelfrau machten. Ihre Stirn war ausrasiert, ihre blonden Augenbrauen zu feinen Strichen gezupft, ihre Hauben und Schleier saßen jederzeit makellos, und ihre feinen Gewänder, die auf der Reise in den Packtaschen und Bündeln ein wenig gelitten hatten, waren aufgefrischt worden. Sie bewegte sich gemessenen Schrittes durch die gewaltige Burg, sprach leise, besuchte die Messen, verbrachte nur die nötigste Zeit bei ihrem Pferd und ließ den Bogen in dem kleinen Saal, den sie mit einigen anderen Gästen teilten. Kurz– sie bemühte sich, Wilkin in jeder Hinsicht zur Zierde zu gereichen, damit er sich eine angemessene Stellung in Sigismunds Hofstaat verschaffen konnte. Leicht fiel es ihr nicht, und umso schwerer, da sich die anderen Frauen in der Umgebung als abweisende Geschöpfe erwiesen, die mit nichts anderem beschäftigt zu sein schienen, als an ihren Standesgenossen herumzumäkeln und sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Königin Barbara, deren Ehe mit Sigismund nicht die glücklichste war, weilte nicht in Ofen, sondern in Bayern.
Den größten Teil ihrer Zeit blieben die Frauen in der Kemenate unter sich. Nur Geistliche hatten stets Zutritt zum Frauengemach, die anderen Herren mussten sich an gewisse Zeiten halten. Kamen sie dann– und das taten sie zumeist im Dutzend–, achteten besonders die älteren Frauen streng darauf, dass die jüngeren auf ihren Plätzen sitzen –, die Herren aber stehen blieben. Sogar in den raren Fällen, wenn der König selbst sie beehrte, gab es davon keine Ausnahme.
So unterhielt man sich dann gemeinsam, bis die Zeit der Herren um war und sie von der ranghöchsten Edelfrau, die in Ermangelung der Königin als Burgherrin auftrat, hinausgewiesen wurden. Hedwig wusste bei diesen Gelegenheiten selten etwas zu sagen, beinah war ihr, als spräche die Hofgesellschaft hier eine weitere ihr fremde Sprache. Oft schienen zwischen den Worten geheime Bedeutungen verborgen, die nur sie allein nicht verstand, wenn sie nach dem Lachen oder den Unmutsäußerungen der anderen urteilte.
» Wie könnt’ ein zartes, hübsches Mädchen mein Herz heilsamer schmücken?«, fragte einer der Herren, und die Frauen lachten laut, mit roten Gesichtern, während die Herren schmunzelten.
» Der Wolkensteiner sagt den bösen Frauen giftige Schwänze nach«, platzte eine der jüngeren Frauen heraus, woraufhin eher die Herren lachten.
» Der Dichter hat so viel Sorgen ums Gift wie seine Majestät selbst«, war die Entgegnung.
Dies nahm die Burgherrin ernst. » Stimmt es, dass Sigismund sich ein neues
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