Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Zukunft liegt, wirst du Einsicht zeigen. Ich kann jetzt nicht fort, und du wirst auf keinen Fall etwas allein unternehmen. Hast du das verstanden?«
Hedwig schlug mit der Faust gegen die raue, steinerne Wand, spürte den Aufprall und Wilkins angewiderten Blick gleichermaßen schmerzhaft. » Wie kannst du so überzeugt davon sein, dass du Recht hast? Wenn den beiden etwas geschieht, werde ich es mir nie verzeihen, sie im Stich gelassen zu haben.«
» Wir haben sie nicht im Stich gelassen, sondern in einem sicheren Tal. Hüx und seine Borbála sind nicht völlig dumm. Sie werden dafür sorgen, dass niemand hungert. Es ging den ganzen Winter über gut, warum sollte es nun anders sein?«
Weil ich nicht mehr dort bin, dachte Hedwig, sprach es jedoch nicht aus. Bei vier von fünf Jagderfolgen war es ihr Pfeil gewesen, der die Beute zur Strecke gebracht hatte. Sie wusste zu gut, wie ihre rege Jagd in dem langen Winter das Wild scheu und vorsichtig gemacht hatte. Die im Dorf Zurückgebliebenen würden auf die Milch und das Fleisch der kostbaren Ziegen angewiesen sein, wenn es ihnen nicht gelang, sich Vorräte aus den Nachbarorten zu beschaffen.
Ihr Gesicht musste deutlich ihre Gefühle verraten haben. Wilkin strich ihr mit ausgestreckten Fingern behutsam über ihre Wange. » Es wird sich schon noch eine Gelegenheit bieten, die beiden zu holen. Hab einfach Geduld. Du musst dich hier eingewöhnen und zur Ruhe kommen. Versuch das! Sei mein Engel. Weißt du nicht, wie sehr man dich bereits bewundert? Sogar Sigismund hat dich bemerkt und mich gefragt, woher du Schönheit stammst. Kannst du dir vorstellen, wie stolz mich das macht?«
Sie musste es sich nicht vorstellen, denn sie sah es am Glanz seiner Augen. Sein Stolz auf sie hätte sie beglücken sollen, und in gewisser Weise tat er es. Gleichzeitig erkannte sie, wie sehr sie sich immer weiter würde anstrengen und verstellen müssen, um die Frau zu sein, auf die er auf diese Weise würde stolz sein können. Sie warf es ihm nicht vor. Es war passend, dass er in einer Frau Reinheit, Anmut, Demut und die gepflegte Pracht ihres gemeinsamen Standes liebte, da er selbst die männlichen Tugenden so sehr verkörperte, dass die meisten anderen Ritter neidisch sein mussten. Auch sie hörte gern anerkennende Bemerkungen über ihn. Der Unterschied war allerdings, dass Wilkin seiner Natur folgte und sie ihrer nicht.
Sie sah ihm in die Augen, von ruhiger Entschlossenheit erfüllt. » Noch sieben Tage. Wenn sich bis dahin nichts ergeben hat, dann breche ich auf.«
Mit verletzter Miene wich er von ihr zurück. Seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. » Es gab schon Männer, die ihre Gemahlinnen wegen solcher Unbotmäßigkeit eingesperrt haben. Willst du mich zu so einem Mann machen?«
» Ich flehe zum Himmel, dass du nicht so ein Mann bist, noch es wirst. Ich habe hohe Achtung vor dir, und ich möchte sie nicht verlieren. Zeig den Großmut, der dir so zu eigen ist, und lass mich mit deiner Erlaubnis gehen, damit wir beide unserem Gewissen folgen und unsere Achtung füreinander bewahren können.«
Er seufzte und nickte zögerlich. » Ich will dich gewiss nicht einsperren. Und etwas anderes bliebe mir wohl kaum übrig, wenn mein Bitten dich nicht rührt. Dass du viel Achtung vor mir hast, glaube ich allerdings nicht. Mir scheint, die habe ich längst verloren. Und ich kann es dir nicht verdenken. Der Teufel wollte, dass ich gleich am Anfang unseres Bundes so darin versagte, dich zu beschützen. Umso tiefer trifft mich, dass du es mir nun so schwermachst. Wenn du wirklich gehst, dann muss ich dir folgen, wie kannst du etwas anderes glauben? Wie sollte ich ertragen, hier beschämt zu warten, während meine Gemahlin… meine Geliebte… Das ist zu hart von dir, Hedwig.«
Gegen seine Wut hatte sie sich gewappnet, doch nun wurde sie weich. » Mir wird nichts zustoßen. Ich bin schnell und kenne den Weg. Wenn dort im Tal niemand leidet, kehre ich allein zurück, und alles ist gut.«
» Du reitest nicht ohne mich. Es wird mir schon einfallen, wie ich es Sigismund erkläre.«
Am Tag nach Hedwigs und Wilkins Streit beschloss König Sigismund, seinen Untertanen mit seinem persönlichen Erscheinen in der Walachei ein Zeichen zu setzen. Die ungarischen Landesfürsten äußerten zunehmend ihre Unzufriedenheit mit der ihrer Ansicht nach zu schwachen Aufmerksamkeit, die ihr König der Bedrohung durch die Osmanen schenkte. Den Spähtrupps, die er an der walachischen Grenze unterhielt, warfen
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