Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
sie vor, eine ähnlich große Plage zu sein wie die Heiden selbst.
Mit größter Selbstverständlichkeit zählte Sigismund Wilkin zu der Gemeinschaft seiner Ritter, die ihn auf diesem kleinen Heereszug begleiten würden. Wilkin war hochzufrieden darüber, Hedwig jedoch sprachlos. Es war keine Rede davon, dass sie oder eine andere Frau die Ritter begleiten würden; und obwohl sie stets gewusst hatte, dass der Tag kommen würde, an dem seine Pflichten ihn von ihr fortführen würden, klangen ihr nun doch die Sätze wie Spott in den Ohren nach, die er vor so kurzer Zeit gesprochen hatte, als sie ihn allein aus dem Tal hätte fortreiten lassen. Wir gehören zusammen, Hedwig. Ich will nicht ohne dich sein.
Noch vor Ablauf der siebentägigen Frist, die Hedwig ihm gesetzt hatte, brach Wilkin mit Sigismund auf. Sie stand im Hof der Burg und verabschiedete ihn würdevoll, so wie es die anderen Edelfrauen mit ihren Gatten oder Söhnen taten. Ihr Stolz auf ihn mischte sich mit Wehmut. An ihm war kein Anzeichen der Schwäche mehr zu entdecken, die ihn im Winter in ihren Fängen gehalten hatte. Er gehörte zu den ansehnlichsten Rittern des Gefolges, und sie wusste, dass seine Fähigkeiten seinem Äußeren mehr als entsprachen. Auch die heimlichen Blicke, mit denen andere Frauen ihn musterten, entgingen ihr nicht.
Hätte sie Irina und Hüx zur Seite gehabt, hätte sie den Moment vielleicht sogar ein wenig genießen können, denn große Angst hatte sie um ihren Gemahl nicht. Sie wusste, dass er sich schon in gefahrvolleren Unternehmungen behauptet hatte. So aber winkte sie ihm in der Gewissheit nach, dass sie im Begriff war, ihn zu täuschen und so sehr zu verärgern, dass er ihr vielleicht nicht verzeihen würde. Bewusst hatte sie ihn nicht an den Ablauf der sieben Tage erinnert, bevor er sie verließ. Doch sobald die Ritter außer Sicht waren, begann sie mit ihren eigenen Reisevorbereitungen.
Nach kurzer Überlegung hatte Hedwig es verworfen, sich einen Begleiter zu suchen. Sie war zuversichtlich, dass sie den Weg finden würde, und sie wusste, dass sie allein wendiger war und sich besser verstecken konnte. Sorgsam, doch unauffällig packte sie das Nötigste zusammen. Viel durfte es nicht sein, da sie kein Handpferd mitnehmen wollte, dennoch vergaß sie nicht, ein wenig weiches Leinen einzupacken, das ihr für die Versorgung eines Säuglings nützlich erschien.
Nach einer schlaflosen Nacht erhob sie sich noch vor dem ersten Hahnenschrei und schlich mit ihrem Reisegepäck aus der Burg in die Ställe. Tiuvel schnappte ungnädig nach ihr, als sie ihn so früh aufstörte, doch er tat es nur, um ihr seine Meinung kundzutun, nicht, um sie zu treffen.
Wenig später, als sie glücklich die misstrauische Torwache hinter sich gelassen hatte, der Hedwig beinah wahrheitsgemäß erklärte, dass sie Freunden entgegenreiten wolle, die sich angekündigt hätten, war ihr Ross mit ihr ausgesöhnt und kostete die Freiheit aus, die sie ihm ließ.
Vorerst nahm sie den geraden Weg und blieb auf der Straße, mied jedoch die Gesellschaft anderer Reisender, indem sie an ihnen vorüberjagte, als sei sie ein Bote mit eiligem Auftrag. Sie war sicher, dass die meisten von ihnen sie erst als Weib erkannten, wenn sie sie hinter sich gelassen hatte. Die Nächte verbrachte sie in den Wäldern. Wenn es möglich war, schlief sie auf Bäumen, nie tief, doch ausreichend, um bei Kräften zu bleiben.
Zwei Wolfsrudel sah sie aus der Ferne, doch es waren satte Sommerwölfe, die um diese Zeit leichtere Beute fanden als ein starkes großes Pferd und einen Menschen. Bärenspuren versetzten sie eines Abends in Unruhe und ließen sie ihren Lagerplatz wechseln, doch mehr als die Abdrücke seiner Tatzen und die zerschlissene Rinde eines Baumes bekam sie von dem Raubtier nicht zu sehen.
Nach alter Gewohnheit wilderte sie, doch brauchte sie nicht viel. Das Wetter war trocken und warm, und jede Stunde war ihr bewusst, wie leicht das Reisen im Sommer war, wenn sie nur für sich allein zu sorgen hatte. In der Hälfte der Zeit, die sie der Weg mit Wilkin in die Gegenrichtung gekostet hatte, erreichte sie das Tal.
Niemand stellte sich ihr dieses Mal entgegen oder begrüßte sie, kein Tier ließ sich sehen oder hören. Die Tür des Hauses mit der Rose stand weit offen, und es war vollkommen leer. Alles, was sie darin während des Winters zusammengetragen hatten, war verschwunden, so wie die Menschen. Dasselbe Bild bot sich ihr in Borbálas Haus. Keine Ziege, kein Schemel,
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