Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Saarmund nicht herum.
Die Burg besaß einen runden Bergfried und stand auf einem kleinen Wall. Sie ähnelte in der Art ihrer Anlage der Burg Friesack, war jedoch größer und in gutem Zustand.
Das von einer Mauer umgebene Saarmund war die größte Siedlung, die Hedwig je gesehen hatte. Es gab hier nicht nur eine Herberge, sondern zwei, und eine Schenke noch dazu. Wo sonst vor den Burgen und befestigten Gutshöfen nur ein kümmerliches Häuflein von Katen und vielleicht ein Dorfkrug zu finden war, gab es hier Häuser mit Untergeschossen aus Stein und Obergeschossen aus Fachwerk, über deren Türen große Schilder das Gewerbe der Inhaber verkündeten. Gleich mehrere Hufschmiede, Feinschmiede, Sattler und Stellmacher entdeckte Hedwig, und einen Händler für getragene Kleidung.
Hedwig war davon ausgegangen, dass sie auch hier bei den Pferden und ihrem Gepäck bleiben würde, während Adam und Irina sich ihr Publikum suchten. Doch dieses Mal waren die beiden nicht einverstanden. » An einem Ort wie diesem eine Jungfrau allein in einem Wirtshaus zu lassen, das nehme ich nicht auf meine unsterbliche Seele«, sagte Adam, und ausnahmsweise klang er dabei so ernst, dass Hedwig nicht widersprach. Zumal auch Irina besonders unruhig und wachsam zu sein schien, seit sie die Stadt betreten hatten.
So blieben ihre Habseligkeiten in der Obhut des Wirts zurück, und sie machten sich zu Fuß auf den Weg in die Burg.
Schon auf diesem kurzen Weg war Hedwig froh, Adams Wunsch gefolgt zu sein. Es gab weit mehr Männer in der Stadt als Frauen. Die meisten von ihnen waren bewaffnete streitlustige Kämpen und viele schon am hellen Tag betrunken. Tristan lief mit gesträubtem Fell dicht neben ihrem Knie und kam aus dem Knurren nicht heraus. Auf Irinas Rat hin trug sie ihren Bogen und die Pfeile, so gut es ging, unter dem Mantel verborgen. Adam hätte es gern gesehen, wenn sie ihre Waffe im Wirtshaus gelassen hätte, doch das brachte sie nicht über sich, auch wenn er noch so verstimmt murrte: » Ein Weib mit einem Bogen! Das wird immer für Ärger sorgen.«
Das Bild, das sich ihnen bot, als sie den Burghof betraten, erinnerte Hedwig erneut an ihre Kindheit. So hatte es auf Friesack ausgesehen, wenn ihr Vater mit seinen Männern anwesend war. Knappen, Stallknechte, Pferde, der Hufschmied, Raufereien, Lärm, Übungsgefechte, Würfelspiele, waghalsiges Zielschießen und dazwischen die Art Weiber, mit denen ihre Mutter niemals ein Wort gewechselt hatte. Im Unterschied zu Friesack hielt in dieser Burg jedoch der Herr nicht in einer Halle der seitlichen Gebäude Hof, sondern im Erdgeschoss des Bergfrieds, der den Mittelpunkt der Anlage darstellte.
Gleich nachdem sie den vor Menschen schier berstenden Raum betreten hatten, drückte Hedwig sich in einen Winkel neben der kalten Feuerstelle. Mehr als zwei Dutzend Ritter, Kaufleute und Bedienstete füllten das runde Untergeschoss des Turmes. Die Enge verursachte Hedwig Beklemmungen, nur die Nähe ihres Hundes, der sich an ihr Bein schmiegte, und der Bogen in ihrer Hand beruhigten sie ein wenig.
Auch diese Ruhe verflog mit einem Schlage, als sie zum ersten Mal die Herren betrachtete, die an der Tafel auf der Estrade saßen. Zwei Plätze neben dem furchteinflößend grimmig aussehenden Burgherrn saß Gerhardt von Schwarzburg im Harnisch.
Die beiden von Himmelsfels setzten eben dazu an, sich zu verbeugen, und hatten ihren Gegner offenbar noch nicht bemerkt. Ehe Hedwig einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte von Schwarzburg schon einen Befehl gerufen. Zwei Männer ergriffen die Spielleute und drehten ihnen so grob die Arme auf den Rücken, dass Irina aufschrie.
Hedwig wusste, dass sie in dem Gedränge, welches im Turm herrschte, mit dem Bogen nichts ausrichten konnte. Bevor sie einen Pfeil aufgelegt hätte, wäre sie von den ihr zunächst Stehenden entwaffnet worden. Zudem hätte sie nicht gewusst, wie sie mit den Spielleuten aus der Burg entkommen sollte. Hier handelte es sich nicht um eine Handvoll ungerüsteter Männer, die arglos zu Tisch saßen.
Hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis zu sehen, was weiter geschah, und dem Drang, nach draußen zu fliehen, bewegte sie sich langsam zur Tür.
» Da haben wir also das fahrende Gelump. Wo ist die kleine Hexe mit dem Bogen? Ist sie zurück in das Unterholz gekrochen, aus dem sie kam?« Gerhardt von Schwarzburgs höhnisches Lachen übertönte alle Geräusche im Raum.
Der Burgherr, der sich bis kurz zuvor mit einem Kaufmann unterhalten
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