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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Die böhmischen Lande liegen etliche Tagesreisen gen Süden. Ich wünsche dir Glück, wenn du das allein schaffen willst.«
    » Ich muss es. Das habe ich jemandem versprochen.«
    » Was suchst du denn?«, fragte Irina.
    » Meinen Bruder und meinen Onkel. Sie stehen beim Kurfürsten in Diensten. Und der soll seine Männer eben in Böhmen für einen Feldzug sammeln.«
    Auf einmal besaß sie Adams ganze Aufmerksamkeit. » Der Kurfürst ist in Böhmen? Ist das gewiss?«
    Hedwig zuckte mit den Schultern. » Wenn er seine Männer dort sammelt.«
    » So, so. Nun denn…«
    Jetzt ließ Irina ihr helles, warmes Lachen hören. » Nun denn… sieht es so aus, als würden wir wohl doch noch zusammen ein Stück weiterreisen. Sag uns doch deinen Namen.«

2
    Die Kunst des Spielmanns
    S o lange wie möglich hielt Hedwig sich mit ihren Begleitern abseits fester Wege und folgte den Zeichen der Himmelsrichtungen durch den Wald. Auf diese Art kamen sie nur langsam voran, doch immerhin war die Umgebung hier im Süden von Friesack weniger moorig, als Hedwig es aus den Zootzener Wäldern im Norden kannte. Weite Umwege blieben ihnen daher erspart.
    Am liebsten hätte Hedwig den Wald überhaupt nicht verlassen. Hier fiel sie nicht auf, sie konnte für sich und ihre Tiere sorgen und fürchtete ihre Verfolger weniger. Doch Adam und Irina überzeugten sie davon, dass sie Ortschaften aufsuchen mussten, wo man sie nicht nur für kleine Darbietungen ihrer Künste entlohnen würde, sondern wo sie auch Auskünfte aller Art erhalten könnten. » Die Kunst des Spielmannes besteht im Zuhören ebenso wie im Gesang. Wer mehr weiß, kommt weiter«, sagte Adam.
    Recht hatte er damit in verschiedener Hinsicht, denn es stellte sich heraus, dass weder er noch seine Frau wesentlich genauer wussten, wo Böhmen lag, als Hedwig. Gerade Pessin kannten sie noch, den nächsten nennenswerten Ort, der nach Friesack an ihrem Weg lag. Dort hatte ein Graf von Knobloch seinen Sitz, dem Adam bereits einmal in Magdeburg begegnet war. Eben deshalb jedoch mieden sie Pessin und fragten sich stattdessen bei Bauern durch nach Selbelang, wo sie am Abend ihres ersten Reisetages eintrafen.
    Sie erreichten das kleine Nest auf einem schlammigen Pfad durch einen Sumpf, der dicht von Schildkröten besiedelt war. Hedwig hatte noch nie so viele von diesen seltsamen Tieren gesehen, die in ihren Rüstungen lebten, und hätte sie gern eine Weile beobachtet. Adam und Irina hingegen fanden sie unheimlich.
    Obwohl die beiden Spielleute kurz vor der Ankunft die Nase über den nur aus zwei Gutshöfen bestehenden Ort gerümpft hatten, blühten sie doch auf, als sie von den Bewohnern neugierig begrüßt wurden. Zu Hedwigs Erleichterung sorgte die Anwesenheit der beiden dafür, dass sie selbst weniger Aufsehen erregte. Sie behielt ihre Gugelkapuze über das Gesicht heruntergezogen und kümmerte sich um die Tiere, während Adam eine Ansprache hielt und Irina lächelnd ihren Schellenkranz dazu schüttelte.
    Später durfte das Spielmannspaar auf dem Hof zwischen den Gutsgebäuden auftreten, wo die Herrschaften beider Güter sich ihre Stühle und Bänke hatten aufstellen lassen. Zwischen zwei Hofbäumen spannte Adam ein Seil, auf dem Irina vor den staunenden Zuschauern anmutige Schritte vorführte.
    Hedwig hockte sich an die Wand eines Pferdestalles in den Schatten und machte sich klein, damit niemand sie wahrnahm. Andächtig lauschte sie dem Klang von Adams Stimme und Irinas kleiner Harfe und erinnerte sich an ihre Kindheit wie an einen verblassten Traum. Jedes Mal hatte sie mit ihren Geschwistern auf Friesack heimlich bis in die Nacht in einem Winkel gekauert, wenn Spielleute die Halle ihrer Eltern besuchten. Zu gern hätten sie sich mit den exotischen Gästen unterhalten, doch das war den Kindern verboten. Sie hatte nie verstanden, wie ihre Mutter gleichzeitig das Musizieren und die Kunststücke hatte genießen und die Darbietenden verachten können. Das fahrende Volk galt als ehrlos. Wer wusste schon– wahrscheinlich stehle es Kinder, wenn man ihm die kleinste Gelegenheit dazu böte! Hedwig musste darüber lächeln, dass es sie nach all der Zeit nun wirklich unter die Fahrenden verschlagen hatte. Was ihre Mutter als großes Unglück betrachtet hätte, begann sie selbst als Glück zu begreifen. Wäre nicht das kleine Rätsel um die Verfolger der beiden » von Himmelsfels« gewesen, zu dem diese sich nicht erklären mochten, hätte Hedwig sich kaum eine bessere Reisebegleitung wünschen

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