Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Sinneswandel zu berichten, schlug dieser die Hände über dem Kopf zusammen.
» Lernt unsere geheiligte Majestät denn nie dazu!«, stieß er hervor. » Sein ganzes Leben lang versucht er schon, auf jeder Hochzeit zu tanzen. Und immer wieder verpasst er dabei die wichtigste. Wie kann er die hohen Herren so brüskieren?«
Wilkin bewahrte wie stets die Miene vollkommener Neutralität, obgleich er Hedwig gegenüber selbst über die Entscheidung des Königs geseufzt hatte. » Seine Majestät war gereizt über die kleinliche Widerspenstigkeit der Städtegesandten und seinen ausbleibenden Erfolg bei der Verhandlung mit ihnen. Fragt Ihr mich, so würde ich sagen, er wollte nicht auf dem Reichstag erscheinen ohne sichtbaren Lohn für seine Mühen. Er hofft, in Konstanz, wo man ihn höher schätzt, mehr erreichen zu können, was er den Fürsten vorweisen kann, wenn er schließlich nach Nürnberg kommt.«
» Ja – nur freilich werden sie nicht mehr hier sein, die Fürsten, wenn er schließlich kommt. Und an wem hängt es wieder einmal, sie zu beschwichtigen?« Friedrich schüttelte den Kopf und winkte ab, als wolle er sich selbst seinen Ärger verbieten. » Nun, wir werden auch dies überstehen. Berichte mir von meinem Albrecht. Hast du ihn wohlbehalten in Konstanz gelassen?«
Während Wilkin dem Kurfürsten versicherte, dass sein Sohn ihm nach wie vor bei Hof nur Ehre mache, betrat die Kurfürstin den Raum. Hedwig sah sie zum ersten Mal seit jenen Tagen kurz nach ihrer und Wilkins Hochzeit.
An Elisabeth schienen die fünf Jahre spurlos vorübergegangen zu sein. Hedwig dagegen fühlte sich, als wäre sie selbst in diesen Jahren alt geworden.
» Hedwig, meine Liebe! Seid willkommen auf der Cadolzburg. Du siehst erschöpft aus. Ich kann es dir nachfühlen. Die Reiserei ist eine elende Strafe, nicht wahr? Hat mein Gemahl euch schon mitgeteilt, dass wir hoffen, ihr werdet das Weihnachtsfest mit uns verbringen?«
Hedwig wechselte einen Blick mit Juli, die sich verschüchtert an ihrer Hand festhielt und mit großen Augen zu ihr aufschaute, dann knickste sie gemeinsam mit der Kleinen demutsvoll. » Es ist uns eine große Ehre.«
Die große Ehre, auf der Cadolzburg weilen zu dürfen, blieb ihnen bis in das neue Jahr erhalten, bis zum Beginn des Fastenmonats, als Sigismund endlich nach Nürnberg zurückkehrte, nur um erzürnt feststellen zu müssen, dass die Reichsfürsten nicht auf ihn gewartet hatten.
Erst im März konnte der Reichstag beginnen, und bereits im April war Sigismund in der Stadt wieder einmal so hoch verschuldet, dass er seine Hauskrone versetzen musste.
Hedwig lauschte den Verhandlungen der Herren nur selten, ließ sich jedoch von Wilkin erzählen, worum es an jedem Tag gegangen war. Nach kurzer Zeit wunderte es sie nicht mehr, dass es dem König selbst schwerfiel, die wichtigen Anliegen aus der gewaltigen Menge seiner Aufgaben herauszufinden: Der erneute Heereszug gegen die Hussiten, ohne den der Papst schwerlich einwilligen würde, ihn zum Kaiser zu krönen. Sein Bestreben, ein litauisches Königreich zu schaffen und seinen Favoriten Witold zu dessen König zu krönen. Sein Drachenorden und die neu in ihn berufenen Mitglieder, unter ihnen Oswald von Wolkenstein und der walachische Fürst Vlad, der gleich mahnte, dass der kurze Waffenstillstand mit den Osmanen nicht halten würde und Sigismund diese Schwierigkeit nicht vergessen dürfe. Immer wieder ging es auch um das Konzil, welches in Basel einberufen werden sollte, um über eine seit Langem geforderte Kirchenreform zu beratschlagen. Und über all diesen Angelegenheiten stand immer Sigismunds Wunsch, so bald wie möglich nach Rom aufzubrechen und dafür Unterstützung jeder Art zu gewinnen.
Wilkin war täglich am Hof und folgte den Gesprächen. Als er an einem Abend dieser langen Tage zu Hedwig heimkehrte, wirkte er besonders in sich gekehrt und beunruhigt. Es waren jedoch nicht neue politische Sorgen, die sich aufgetan hatten, so wie Hedwig es zuerst vermutete. Er war sich nicht ganz sicher, glaubte aber, im Menschengewühl auf dem Rathausplatz Hans von Torgau gesehen zu haben. » Ich wünsche den Tag herbei, an dem er zu Grabe getragen wird, damit ich endlich gewiss sein darf, dass wir uns nicht mehr vor ihm hüten müssen«, sagte er.
Doch wenn es Hans von Torgau gewesen war, den er gesehen hatte, dann blieb dieser im Verborgenen. Bald vergaßen sie Wilkins Erlebnis.
Im Mai zog der König mit Kurfürst Friedrich für weitere Verhandlungen und die
Weitere Kostenlose Bücher