Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
bis zu dessen Durchführung noch etliche Zeit dauern. Kurfürst Friedrich reiste nach einem Monat wieder ab, um die Fürsten zu einem neuerlichen Reichstag zusammenzurufen, der im November in Nürnberg stattfinden sollte. Sigismund blieb noch bis zum Ende des Sommers, um sein Gefolge und seine kleine ungarische Begleitmacht zu sammeln, damit er von Nürnberg aus gleich die große, bedeutsame Reise nach Italien antreten konnte.
Wilkin kam nach einiger Überlegung zu dem Schluss, dass es dieses Mal in der Tat ernst werden würde mit dem Zug nach Rom. Und wie es für sie beide stets festgestanden hatte, sollte Hedwig sich für diese Reise dem Tross anschließen. Da nicht absehbar war, ob sie anschließend nach Pressburg zurückkehren würden, mussten sie ihren kleinen Hausstand auflösen und ihre notwendigen Habseligkeiten zusammenpacken.
Mara wurde im Verlauf dieser Arbeit immer zaghafter und bedrückter, bis sie schließlich damit herauskam, dass sie in Pressburg bleiben wollte. Sie gestand, dass sie Helmwart den Sommer über häufig getroffen hatte und glaubte, dass er kurz davor war, ihr eine Heirat anzutragen.
Hedwig fühlte eine starke Scheu davor, Helmwart gegenüberzutreten, doch sie überwand sich Mara zuliebe und begleitete sie zu einer ihrer Verabredungen.
Helmwart entschied sich schnell, nachdem sie ihm die Lage geschildert hatte, und bat Mara um ihre Hand. Hedwig gönnte ihr das Glück und trauerte dennoch über den Abschied von ihr. Pressburg hinter sich zu lassen, traf sie dagegen nicht allzu hart. Wieder im Freien unterwegs zu sein, erschien ihr erstrebenswerter, als dauerhaft in den engen Grenzen einer Stadt zu leben.
Selbst die nun vierjährige Juli ließ sich so von der freudigen Aufbruchsstimmung anstecken, dass nur beim Abschied von Mara Tränen flossen. Das mochte allerdings auch damit zu tun haben, dass der junge Hundeknecht Roman ihr zum Abschied einen Welpen aus der königlichen Meute schenkte, die in Pressburg zurückblieb. Er hatte den jungen Hund töten sollen, weil er lahmte, seit er von einem Pferd getreten worden war. Der Junge hatte jedoch beschlossen, dass der lahmende Hund bestens zu seiner hinkenden kleinen Freundin passte.
Juli nannte den Welpen Drîbein, weil er mit seinem lahmen Hinterbein den Boden beim Laufen oft gar nicht berührte.
Es verging ein guter Monat, bevor sie mit dem langsamen Tross Ende September Nürnberg erreichten.
Auf die Vermittlung des Kurfürsten hin erhielten Hedwig, Juli und Wilkin Unterkunft in dem Stadthaus, wo Wilkin bereits einmal gewohnt hatte und überfallen worden war. Der König selbst bezog mit seinem engeren Gefolge die Kaiserburg, in der der Reichstag abgehalten werden würde.
Hedwig war es wie immer recht, dass sie nicht all ihre Zeit am Hof verbringen musste. Sie erkundete mit Juli und einer rasch eingestellten Magd die Stadt. Besonders liebten Juli und sie einen Brunnen auf dem Hauptmarkt beim Rathaus. Er sah aus wie eine prächtige Kirchturmspitze, die aus dem Boden wuchs. Sie konnten sich an seinen Figuren nicht sattsehen und ließen sich von freundlichen Nürnbergern erklären, wen jede einzelne darstellte.
Doch bevor sie sich ganz in der Stadt eingewöhnt hatte, ungefähr einen Monat vor dem Reichstag, verließ Sigismund zur Überraschung aller Nürnberg wieder und zog nach Ulm, um dort mit Städtegesandten über die Bereitstellung von bewaffneten Männern für seinen Romzug zu verhandeln. In der Annahme, dass der König auf jeden Fall beabsichtigte, rechtzeitig zum Reichstag in die Stadt zurückzukehren, ließ Wilkin Hedwig dort zurück.
So wurde sie Zeugin, wie nach und nach die großen Reichsfürsten in Nürnberg eintrafen: der kriegerische Konrad von Dhaun, Erzbischof von Mainz; Erzbischof Dietrich von Moers, der Sigismund zum König gekrönt hatte; Raban von Helmstatt mit einem schwarzen Raben im silbernen Wappen, der Erzbischof von Trier; und der Herzog von Sachsen, Friedrich der Sanftmütige genannt. Immer ungeduldiger erwartete die vornehme Gesellschaft den König, während der vereinbarte Tag näherrückte und verstrich.
Sigismund erschien nicht. Stattdessen kehrte Wilkin mit einer kleinen Abordnung zurück, die mit sichtlichem Unbehagen die Botschaft überbrachte, dass der König meinte, seine Anwesenheit sei am Bodensee erforderlicher. Er beabsichtige, das Weihnachtsfest in Konstanz zu feiern.
Als Wilkin sich auf die Einladung des Kurfürsten hin mit Hedwig und Juli auf die Cadolzburg begab, um ihm von Sigismunds
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