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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Wilkin hätte die natürliche Dunkelheit bevorzugt. Er sah nachts im Wald ohne jede Flamme besser als in einer Stadt, in der Lichter und Rauch seine Augen verwirrten.
    Die Tür seiner Unterkunft war nicht verriegelt, da er die beiden Dienstleute und den müden Dieter davon entbunden hatte, sie zu bewachen. So musste er niemanden wecken. Allerdings kamen gegen die Finsternis im Inneren des ihm noch fremden Hauses auch seine guten Augen kaum an. Die Treppe hinaufzutappen und sein Gemach zu erreichen, ohne gegen Truhen, Leuchter und Besen zu stoßen oder über die Katze zu fallen, war nicht einfach.
    In der stockdunklen Vorkammer, wo Dieter seine Schlafstatt hatte, orientierte er sich an dessen leisem Schnarchen, um die nächste Tür zu finden. In seinem Gemach war es durch die offenen Fensterläden heller, und er seufzte wohlig beim Anblick des Bettes im Zwielicht. Die Matratze war weich mit Wolle gefüllt. Vielleicht würde ihm am Morgen der Rücken davon schmerzen, aber auf diesem Lager einzuschlafen würde himmlisch sein.
    Er warf seinen Hut auf eine an der rechten Wand stehende Truhe, nahm seinen Waffengurt ab und hängte ihn an den Bettpfosten, neben dem sein Kopf ruhen würde und an dem auch schon sein langes Schwert hing. Am Fuß des Pfostens stellte er die Stiefel ab. Um seine Kleidung zu schonen, wollte er sie gesittet auf dem Stuhl neben der Truhe ablegen. Doch er hatte sich eben erst von seiner feuchten Schecke getrennt, als ein Kribbeln im Nacken ihn vor einer Gefahr warnte. Ihm blieb gerade noch Zeit, über die Dummheit zu fluchen, mit der er seine Waffen an den Bettpfosten gehängt hatte. Wie aus dem Nichts gekommen, stand ein Mann mitten im Raum und holte mit dem Schwert zu einem Hieb aus, der auf Wilkins Hals zielte. Ein geschlossener Visierhelm verbarg sein Gesicht.
    Wilkin sprang zurück, stieß gegen den Stuhl und fiel auf die Truhe. Verzweifelt nach etwas tastend, das er als Waffe verwenden konnte, bekam er eine Wasserkanne in die Finger, die neben der Truhe stand. Er warf sich zur Seite, um einem Stoß des Angreifers zu entgehen, und spürte dessen Schwertklinge seinen Wamsärmel streifen. Auf dem Boden kniend, sah er seinen Gegner das Schwert zu einem Schlag erheben, von dem dieser sichtlich glaubte, es würde der letzte sein. Diese verfrühte Siegesgewissheit machte ihn langsam und gab Wilkin seine Chance. Mit der ganzen Kraft seines Schwertarmes schmetterte er dem Mordlustigen die Zinnkanne gegen die ungeschützte Kniescheibe.
    Der Mann stieß einen dumpfen Schmerzlaut aus und strauchelte rückwärts, war jedoch nicht so sehr aus der Fassung gebracht, dass Wilkin hoffen konnte, an ihm vorbei an seinen Schwertgurt zu gelangen. Immerhin hatte er Zeit gewonnen, um auf die Füße zu kommen und einen Holzstuhl zu ergreifen. Er fasste ihn an den Stuhlbeinen und schwang ihn wie eine große Keule, um seinen Gegner mit der Lehne zu treffen.
    Dieser hatte nun begriffen, dass er sein Ziel nicht ganz so einfach erreichen würde. Geschickt wich der Mann aus und sprang vor, als der Schwung des Stuhls Wilkin herumriss und ihm eine Blöße gab. Anstatt den Schwung zu bremsen und neu auszuholen, legte Wilkin unwillkürlich mehr Kraft in die gleiche Richtung und drehte sich blitzschnell um die eigene Achse, sodass es zu einem krachenden Zusammenprall zwischen Schwert und Stuhl kam, der den Angreifer wieder zurückwarf, den Stuhl jedoch zertrümmerte.
    Lieber Herrgott, Allmächtiger Herr, lass mich an mein Schwert kommen, flehte Wilkin lautlos.
    Der Kerl täuschte einen Stoß auf Wilkins Herz an, tat es aber so nach dem Lehrbuch, dass Wilkin wusste, er würde ihn in einen Querschlag verwandeln, wenn er selbst versuchte, zur Seite auszuweichen. Vielen Jahren Lehrzeit und etlichen Stunden echter Gefahr verdankte er es, dass er nicht denken musste, um die richtige Erwiderung darauf zu wissen. Er unterlief blitzschnell den Stoß und rammte dem Kerl seinen Kopf in den Magen. Dieser Gegenschlag schmerzte seinen Kopf, der auf ein unter Tuch verborgenes Kettenhemd traf, mehr als den Kerl, ermöglichte es Wilkin aber, dessen Schwerthand zu ergreifen. Sein Triumph dauerte nur kurz. Bevor er mit der zweiten Hand zupacken konnte, hatte sein Gegner sich mit einer Drehung wieder befreit. Wilkin fluchte. Was glaubte er auch– dass er es wieder mit einem Weib zu tun hatte?… Gedanken glommen wie Funken in seinem Kopf auf. Ein Weib? Das alte Schwert! Eingewickelt in sein Deckenbündel lag es ungefähr dort, wo vorher auch die

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