Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
klopfte an.
Ein freundlich wirkender junger Dienstmann öffnete ihm. » Mein Herr?«
» Gott zum Gruß. Ich bitte die Herrschaften des Hauses für die späte Störung um Vergebung, aber ich suche den Abgesandten des Erzbischofs von Passau, und man sagte mir, ich fände ihn hier oder in jenem Nachbarhause.«
Der junge Diener schüttelte nachdenklich den Kopf. » Es tut mir leid, aber da hat man Euch falsch unterrichtet. Mein Herr hat Kaufleute aus Freiburg zu Besuch. Und unsere Nachbarn haben die Ehre, Herrn Henmann Offenburg zu beherbergen, der ein enger Vertrauter unserer Majestät König Sigismunds ist. Da gibt es selbstverständlich keine weiteren Hausgäste.«
Wilkin machte große Augen und nickte. » Da danke ich herzlich für die Auskunft. Es wäre mir unangenehm gewesen, dort zu stören. Und über den Passauer weißt du nicht zufällig etwas?«
Sein Gegenüber schüttelte bedauernd den Kopf. Wilkin zog seinen Beutel und gab dem Jungen mit einem Lächeln ein paar Heller, obwohl ihm auch diese Ausgabe sauer aufstieß. Das Geld floss ihm nur so durch die Finger. Doch der Diener verabschiedete sich sichtlich erfreut von ihm und würde sich im Inneren des Hauses gewiss nicht über die kleine Störung beschweren.
Rasch wollte nun der nächste Schritt geplant sein. Es kam ihm zupass, dass die Straße an dieser Stelle recht breit war und trotz des allmählich schwächer werdenden Lichts noch immer ein mäßiges Kommen und Gehen herrschte. Außerdem lag ein Brunnen dem Haus gegenüber, welches er im Auge behalten wollte. Er ging hinüber, beschäftigte sich langwierig damit, einen Eimer Wasser heraufzuziehen und seine Schecke abzulegen. In der Deckung der steinernen Brunnenumrandung tat er so, als müsse er Flecken aus dem Kleidungsstück waschen. Er schwankte dabei ein wenig, als sei er betrunken und darum langsam, und er unterbrach seine Tätigkeit nicht, als der ihm verdächtige Unbekannte wieder aus dem Haus kam. Aus dem Augenwinkel beobachtete Wilkin, wie dieser von einem kostbar gekleideten bärtigen Kaufmann verabschiedet wurde, der das Emblem des von König Sigismund gestifteten Drachenordens als Schulterschmuck trug. Das musste Henmann Offenburg sein.
Waffenrock und Gesicht des Verdächtigen bekam Wilkin erst zu sehen, als dieser sich zum Gehen wandte. Hastig bückte er sich, um hinter dem Brunnen möglichst unsichtbar zu werden. Es war ihm ein Rätsel, warum er Gerhardt von Schwarzburg zuvor nicht schon am Hinterkopf erkannt hatte. Wohl nur, weil die langen, blonden Haare des eitlen Widerlings unter dessen merkwürdigem braunen Mantel verborgen gewesen waren.
Was nun hatte von Schwarzburg mit einem der engsten Vertrauten des Königs zu besprechen gehabt? Vor allem, wenn er tatsächlich mit Reinhardt und Ludwig gereist war, die Wilkins Ansicht nach überhaupt nichts in Nürnberg verloren hatten. Sie alle waren Lehnsleute des Kurfürsten und sollten sich hüten, hinter dessen Rücken Verbindung zu Sigismund aufzunehmen. Jedenfalls solange bekannt war, dass das Verhältnis zwischen den beiden ehemals befreundeten Fürsten angespannt war.
Gerhardt von Schwarzburg schien es nun nicht mehr eilig zu haben. Wilkin folgte ihm in großem Abstand. Er wollte sich eher abschütteln als ertappen lassen. Als er an der Ecke einer Seitenstraße ankam und die Gasse hinunterspähte, glaubte er kurz, dass er von Schwarzburg verloren hatte. Doch dann sah er des Erzbischofs Bruder in weiter Entfernung in ein Hurenhaus eintreten und gab die Verfolgung von sich aus auf. Er fühlte sich zu müde, um noch einmal, wer wusste wie lange, auf der Straße zu warten. Zumal er danach vermutlich nichts weiter in Erfahrung bringen würde als von Schwarzburgs Unterkunft.
Einen Augenblick überlegte er noch, ob es Sinn hatte, wenn er auf die Suche nach seinen Brüdern ging. Die Erschöpfung riet ihm auch von diesem zweifelhaften Vorhaben ab. Womöglich würde er bereits am nächsten Tag wieder Stunden im Sattel zubringen müssen. Für diesen Auftrag ausgeruht zu sein war ebenso wichtig, wie an von Schwarzburgs Geheimnis herumzurätseln. Erhellender würde es ohnehin sein, ein Gespräch mit Köne von Quitzow zu führen, der ihn mit seiner Nachschleicherei erst auf die Angelegenheit gestoßen hatte.
Mittlerweile war es dunkel geworden, und die Straßen leerten sich. Hier und dort wurden Fackeln getragen, deren flackernde Flammen kleine Kreise beleuchteten und dafür die umgebenden Schatten noch dunkler und undurchsichtiger färbten.
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