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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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als sie sich dem Turnierplatz näherten, auf dem sich entlang der Schießlinie bereits Grüppchen von edlen Frauen tummelten. Die meisten von ihnen trugen wundervolle Gewänder mit langen Schleppen, weiten Ärmeln und ausladenden, mit Schleiern behängten Kopfbedeckungen. Pagen hielten ihre Pfeile in den Händen, um sie ihnen zuzureichen, oder standen bereit, um die kleinen Armbrüste wieder zu spannen, nachdem die Frauen sie abgeschossen hatten. Junge Zofen wichen ihren Herrinnen nicht von der Seite, um nötigenfalls die Tuchfluten der weiten Gewänder zu bändigen, wenn sie die Bewegungen ihrer Trägerinnen gar zu sehr hemmten.
    Auch Hedwigs Kleid besaß weite Schleppärmel, die jedoch wie bei all ihren neuen Gewändern schon von der Schulter an geschlitzt waren und wenn nötig ihre Arme in den eng anliegenden Unterärmeln völlig frei ließen. Ein Page fehlte ihr, doch Irina begleitete sie und wollte ihr die Tasche mit ihren Pfeilen halten.
    Sie sah sich nach der Kurfürstin um und entdeckte sie auf einer Tribüne. Neben ihr stand, mit ihr ins Gespräch vertieft, Wilkin von Torgau. Bei seinem Anblick stürmte eine überwältigende Mischung von Gefühlen auf sie ein. Ihre geschmeichelte Eitelkeit jagte sich mit Scham, Furcht und Unsicherheit. Hatte die Kurfürstin die Wahrheit darüber gesagt, wie er von ihr sprach? Würde er noch einmal versuchen, sich mit ihr zu unterhalten? Wie sollte sie ihm dann begegnen? Ihrem Onkel hatte sie wohlweislich nichts weiter von den Anspielungen der Kurfürstin erzählt. Sähe er sie mit Wilkin zusammen, würde er wieder einschreiten.
    » Was ist denn nur mit dir? Hast du Angst, vor Zuschauern zu schießen? Das hast du doch schon häufig getan«, sagte Irina.
    Hedwig zwang sich zu einem Lächeln. » Nicht auf solche kunstvollen Zielscheiben.« Die hinteren Stützen der Scheibenständer trugen silbern glänzende Zweige mit einzelnen Blättern, ähnlich dem Silberzweig der Huldigungszeremonie. Die Scheiben selbst waren mit Schwänen bemalt, die sich dem Betrachter mit ausgebreiteten Flügeln zuwandten, deren Häupter mit Kronen bekränzt waren und die in ihren Schnäbeln Pfeile trugen. Große rote Herzen prangten auf ihren Brüsten und sollten offensichtlich das innere Ziel darstellen. Die Einzelheiten waren gut zu erkennen, denn noch standen die Scheiben in nur fünfzehn Schritt Entfernung. Hedwig nahm an, dass sie weiter nach hinten getragen werden würden, wenn das Schießen begann.
    Ein Herold, gekleidet mi-parti in Schwarz-Silber und hellem Violett, betrat, begleitet von vier jüngeren Helfern, die Fläche zwischen Schießlinie und Scheiben und stieß in seine Schalmei, woraufhin einige Trompeter rechts und links neben der Fürstinnentribüne Antwort gaben. Nach dem Verstummen der Fanfare verbeugte sich der Herold in drei Richtungen vor den zum Turnier angetretenen Edelfrauen, während seine Begleiter sich hinter ihm aufstellten.
    » Dem bewundernden Auge der Zuschauer zuliebe zum Wettstreite angetreten sind hier die vornehmsten Schönen der Lande unseres von Gott gesegneten Herrn, des neuen Markgrafen Johann von Brandenburg. Heller strahlt uns der Abend denn der Tag, da sich zu unserer Erbauung diese Frauen edlen Geblüts bereitgefunden, sich in der hohen Kunst des Bogenschießens zu messen. Mögen ihre Pfeile Flügel tragen und sich durch ihren schönen Flug als der Schönheit der Schützinnen würdig erweisen.«
    Gelächter und Beifall belohnten ihn für seine Schmeichelei, und mit drei weiteren Verbeugungen trat er ab. Die vier jungen Helfer, deren Kleidung mehr von dem hellen Violett bestimmt wurde als vom kurfürstlichen Schwarz-Silber, begaben sich zu den Grüppchen von Schützinnen und deren Anhang, teilten sie den Zielscheiben zu und erklärten die Regeln.
    In einer Runde sollten von jeder Schützin der Gruppe sechs Pfeile auf dieselbe Scheibe geschossen werden. Der Pfeil, der nach der Runde am weitesten vom roten Herz des Schwans entfernt in der Scheibe steckte, schied aus. Pfeile, die neben der Scheibe landeten, wurden ebenfalls entfernt, und für die Schützin, die auf diese eine oder andere Weise ihre sechs Pfeile verloren hatte, war das Turnier beendet.
    Fünf Teilnehmerinnen versammelten sich vor jeder Scheibe, und Hedwig wurde auf Caecilias eifriges Winken hin deren Gruppe zugeteilt. Alle bis auf eine der Frauen dort, die gemeinsam mit ihrer Tochter antrat, waren jünger als sie.
    Entgegen ihrer Erwartung wurde die Entfernung der Zielscheiben nicht verändert.

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