Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
ihnen.«
Hedwigs Widerspruchsgeist siegte über ihre Verwirrung. » Ihr dürft ihn nicht meinen Wilkin nennen, Durchlaucht. Wir sind uns nur zweimal begegnet, und ich hatte nicht den Eindruck, dass er mich mag. Besonders nicht beim ersten Mal.«
Die Kurfürstin ließ sich ein weiteres Pastetchen reichen und winkte ab. » Die Männer verhalten sich oft unverständlich. Manche zeigen gerade, wenn ihnen etwas gut gefällt, zuerst die größte Gleichgültigkeit. So, als müssten sie sich und allen anderen beweisen, dass sie sich nicht von ihren zarten Vorlieben lenken lassen. Das sollte dich nicht täuschen. Was ist aber nun deine Ansicht? Ist unser Wilkin nicht ein ansehnlicher Junge? So gerade gewachsen und schlank. Mit solchen Beinen muss ein Mann die kurzen Wämser nicht scheuen, die unsere Jugend in jüngster Zeit so gern zu den engen Beinlingen trägt. Er muss es von seiner mütterlichen Seite geerbt haben, von der väterlichen gewiss nicht. Sein Vater ist ein… Aber schweigen wir dazu. Der Sohn übertrifft ihn im besten Sinne. Nun sprich doch, was meinst du zu ihm?«
Mittlerweile hatte die peinliche Situation Hedwig so erhitzt, dass sie feuchte Handflächen bekommen hatte und sich an die frische Luft wünschte. Was hielt sie von Wilkin? Was durfte sie sagen, da Elisabeth ihn so hoch schätzte? Nun, ansehnlich war er gewiss, aber… Sei aufrichtig, mahnte Richards Stimme sie. » Er ist ein schöner Mensch und gewiss tugendhaft, wenn Ihr es sagt. Aber ich wünsche mir von meinem zukünftigen Gemahl etwas mehr als das. Ich glaube, dass gegenseitige Achtung ein…«
Gräfin Elisabeth klatschte begeistert in die Hände. » Habe ich es doch gewusst. Ein erfahrener Frauenblick erkennt sogleich, wenn zwei junge Leute gut zusammenpassen. Nun, selbstverständlich kann ich nichts versprechen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich da etwas machen lässt. Was hast du für den heutigen Abend im Sinn, liebes Kind? Caecilie, meine Zweitälteste, vergnügt sich gelegentlich ein wenig mit dem Bogen und wird heute am Preisschießen teilnehmen. Wir werden zusehen. Willst du dich nicht zu uns gesellen? Oder langweilt dich das? Aber das wäre unwichtig, denn wir werden uns in jedem Fall gut unterhalten.«
Hedwig war entsetzt bei dem Gedanken, auch noch den Abend in einem Gespräch mit der Kurfürstin verbringen zu müssen, das offenbar nur zu Missverständnissen führte. Sie lächelte gequält. » Ich schieße selbst gern mit dem Bogen und dachte daran, ebenfalls teilzunehmen, Eure Durchlaucht.«
Entzückt rief Gräfin Elisabeth daraufhin die vierzehnjährige Caecilie heran und platzierte sie zu Hedwigs anderer Seite. Einen Augenblick verhielt die Unterhaltung bei der aufregenden Kurzweil des abendlichen Bogenturniers, doch als Hedwig eben Hoffnung schöpfte, sich endlich über einen unverfänglichen Gegenstand austauschen zu können, von dem sie etwas verstand, glitt das Interesse der edlen Frauen zurück zu Kleidern und jungen Männern. Auch für die noch unverheirateten Fürstentöchter wurde längst eifrig die Suche nach einem geeigneten Ehegatten betrieben und noch eifriger und vor allem in kleinsten Einzelheiten besprochen.
Als nach endlos lang erscheinender Zeit endlich ihr Onkel angemeldet wurde, der sie abholen wollte, war Hedwig so erleichtert wie erschöpft. Doch wenigstens machte ihre Gastgeberin einen zufriedenen Eindruck und verabschiedete sie so herzlich, dass sie hoffen durfte, sich nicht falsch benommen zu haben.
Ihr Onkel war noch berauscht von der prunkvollen Huldigungsmesse, die nicht nur ihn durch ihre Feierlichkeit zu heimlichen Tränen gerührt hatte. Er erzählte andächtig vom Glanz des Kirchenschmucks und den erhabenen Stimmen und Worten der Geistlichen. Hedwig konnte heraushören, dass er den nun besiegelten Eid, den er Kurfürst Friedrichs Sohn Johann geleistet hatte, ernster nahm, als sie es zuvor vermutet hätte.
9
Der goldene Schleier
N ach all den süßen Pasteten am Nachmittag hätte Hedwig auch dann nicht zu Abend essen können, wenn sie wegen des bevorstehenden Wettschießens weniger aufgeregt gewesen wäre. Sie bereute, dass sie ihre Teilnahme angekündigt hatte, konnte jedoch ohne guten Grund nicht zurücktreten.
Auch ihr Onkel war nicht glücklich bei dem Gedanken, sie teilnehmen zu lassen. » Dieses Preisschießen ist ein Spiel, bei dem die Frauen hübsch aussehen wollen. Also sei so freundlich und schieß nicht, als ginge es um das Schießen.«
Hedwig verstand erst, was er meinte,
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