Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
verstrickt, wäre ihm Cords merkwürdige Bitte beinahe entfallen. Erst als die Zeremonie des Handgangs zu Ende ging, das Kurfürstenpaar sich erhob und Elisabeth, die für ihr Alter und die vielfache Mutterschaft noch immer eine anziehende Frau war, den versammelten Adligen liebenswürdig zuwinkte, fiel ihm wieder ein, dass er ein Anliegen an sie hatte.
Tatsächlich war er einer der wenigen, die sich in dieser Lage überhaupt an sie wenden konnten. Im für sie knappen Zeitplan der Huldigungstage kam ein Bittsteller nur unter außergewöhnlichen Umständen an sie heran.
Er musste nicht an ihr fürsorgliches Wesen appellieren, um ihre Zusage zu erhalten. Sie war so überrascht und erfreut darüber, dass er ihr gegenüber ein weibliches Wesen erwähnte, dass allein die Neugier sie dazu getrieben hätte, die Jungfer einzuladen. Kurfürstin Elisabeth, die ihn über die letzten zehn Jahre beobachtet hatte, als wäre sie seine Mutter, fand es besorgniserregend, dass sein Vater sich so wenig um eine Braut für ihn bemühte. Sie war der Ansicht, dass es für ihn an der Zeit war, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Dass seine Bitte keinesfalls einen solchen Hintergrund hatte, versicherte er ihr vergeblich, zumal er nicht leugnen konnte, dass Hedwig ihm gefiel.
Ein Page überbrachte Hedwig Fürstin Elisabeths Nachricht und erschreckte sie damit mehr, als die plötzliche Begegnung mit einem wütenden Keiler es gekonnt hätte. Ihr Onkel dagegen hielt die Einladung für die Reaktion des Kurfürsten auf seine Ankündigung, sie verheiraten zu wollen, und war zufrieden. Er meinte, dass Friedrich es seiner Gemahlin übertragen haben müsse, Überlegungen dazu anzustellen.
So begleitete Johann Hedwig und Irina am Nachmittag kurz vor Beginn der Huldigungsmesse zum Zeltpalast des Kurfürsten und gab sie in Fürstin Elisabeths Obhut.
Aus Platzgründen versammelten sich außer der Gemahlin des neuen Markgrafen nur die Männer zur Messe in der Kirche, die dem Markgrafen in Person gehuldigt hatten oder die ihm und seinem Vater gegenüber eine besondere Stellung innehatten. Weitere Andachten fanden jedoch außerhalb der Kirche statt, so auch für die Frauen und einige ältere Herren im großen Zelt des Kurfürsten.
Deshalb beschränkte sich Hedwigs Begegnung mit Fürstin Elisabeth vorerst auf eine kurze Begrüßung. Erst nach dem feierlichen Gottesdienst holte ein Page sie aus den hinteren Reihen der Anwesenden ab und brachte sie in das kleinere Nebenzelt der Fürstin, welches diese mit ihren drei jüngsten Töchtern bewohnte. Das älteste der Mädchen war achtzehn, nur drei Jahre jünger als Hedwig, das kleinste jedoch erst fünf Jahre alt und spielte mit seiner Amme in einer gemütlich eingerichteten Ecke des Zeltes Fingerspiele.
Hedwig und Irina waren nicht die einzigen Gäste, dennoch erwies Elisabeth Hedwig die Ehre, ihr einen Sitzplatz an ihrer Seite zuzuweisen. Irina, die Hedwigs Bogen behütete, durfte sich in einem Vorraum zu den Zofen des kurfürstlichen Hofes gesellen.
Hedwig fühlte sich so krank vor Aufregung, dass ihr nicht ein einziger Satz einfiel, den sie zur Kurfürstin hätte sagen können. Dieses Mal war sie dankbar für die Regeln des guten Benehmens, die ihr verboten, das Wort ungefragt an die höhergestellte Frau zu richten.
Diese war noch eine Weile von ihr abgelenkt, weil sie ihre Bediensteten antrieb, die nun ausschließlich weiblichen Gäste mit Süßmost und kleinen Pasteten zu versorgen. Das Gebäck schmeckte nach Honig und orientalischen Gewürzen, und der Genuss lenkte Hedwig von ihrer Aufregung ab. Etwas so Gutes hatte sie selten gegessen, denn in der Küche ihrer Tante ging es bescheidener zu. Zu ihrem Entsetzen sprach die Kurfürstin sie ausgerechnet jetzt an, wo sie den Mund voll köstlicher Pastete hatte. Sie spürte, wie sie flammend errötete.
» Jungfer Hedwig, ich erkenne, warum Ihr unserem lieben Wilkin aufgefallen seid. Euer Onkel muss sehr stolz auf Euch sein, Ihr seid ein reizender Anblick. Diese grüne Haube ist entzückend und Euer Kleid geschmackvoll. Sicher hat Eure Tante Euch bei der Auswahl geholfen?«
Vor Schreck hatte Hedwig aufgehört zu kauen und nun doppelte Mühe, die Pastete herunterzubringen. Ihre Tante ihr geholfen? Durfte sie gestehen, dass ihr Onkel mit ihr ein Rennen bis nach Quitzöbel geritten war, weil dort eine weltlich gesonnene Witwe lebte, mit der er offenbar einst eine enge Bekanntschaft gehegt hatte? Diese Frau hatte die Schneider angewiesen, welche Kleider
Weitere Kostenlose Bücher