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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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sich, wie sie sich hatte einbilden können, dass es ihr nichts ausmachen würde, schlecht zu schießen und zu verlieren. Sie war bereits entschlossen, mit ihren eigenen Pfeilen weiterzumachen und wenigstens sich selbst zu beweisen, dass es nicht an ihr lag, wenn sie nicht traf.
    Doch Irina schien zu erraten, was in ihr vorging. Sie ließ sich von dem Helfer, der die verschossenen Pfeile eingesammelt hatte, den offenbar ohne Liebe zur Schießkunst angefertigten Satz ungleicher Pfeile aushändigen und gab Hedwig durch Gesten überdeutlich zu verstehen, dass sie bei diesen bleiben musste.
    Die anderen Frauen änderten an ihrer Ausrüstung und ihrer Art zu schießen ebenfalls nichts, und soweit Hedwig es verfolgen konnte, schlugen sich die Teilnehmerinnen an den anderen Scheiben ähnlich. Kein unbeteiligter Zuschauer hätte erklären können, warum das Publikum dennoch immer wieder in Beifall ausbrach.
    Kurz bevor sie wieder an der Reihe war, warf sie einen Blick zur Tribüne empor und fragte sich, ob man von dort aus überhaupt erkennen konnte, wie die Schützinnen trafen. Einen Augenblick später war jeder Rest Gelassenheit, den sie noch gehabt hatte, dahin.
    Links neben der seitlichen Tribünenwand standen Gerhardt von Schwarzburg und Wilkins Bruder Reinhardt mit seinem Kopfverband zwischen einigen anderen Männern. Ohne jeden Zweifel beobachteten sie Hedwig und ihre Gruppe, und sie schienen sich köstlich mit spöttischen Bemerkungen zu vergnügen.
    Mit einem Ruck wandte Hedwig sich ab, ihr Herz hämmerte. Wie konnten sich diese widerlichen Kerle erdreisten, vor ihren Augen über sie zu spotten? Wütend streckte sie Irina die Hand entgegen, um ihre Pfeile in Empfang zu nehmen, und erschrak. Auch Irina hatte die Männer neben der Tribüne entdeckt und schien davon so betroffen, dass sie in ihrer Bewegung erstarrt war. Mit großen Augen sah sie gebannt hinüber, Angst spiegelte sich in ihrer Miene.
    » Du bist an der Reihe, Hedwig. Komm schon, vielleicht geht es diesmal besser. Du darfst dich nicht so ärgern, wenn du nicht triffst, sonst bekommst du bald hässliche Falten im Gesicht. Das sagt mein Bruder immer«, zwitscherte Caecilia und weckte damit Irina aus ihrer Erstarrung. Rasch gab sie Hedwig die Pfeile.
    Hin- und hergerissen zwischen schwelendem Ärger, Wut und Mitgefühl für Irina, verfehlte Hedwig mit dem ersten Pfeil wieder die Scheibe und kam dadurch zu sich. Von nun an bog sie vor jedem Schuss den Pfeil ein wenig in der Hand und begutachtete, was sie von ihm zu erwarten hatte. Immerhin landeten auf diese Weise zwei auf dem Schwan, ein weiterer wenigstens auf der Scheibe und nur die letzten beiden erneut daneben. Dennoch beschwichtigte sie dieses Ergebnis in keiner Weise, und Caecilias süßes, mitleidiges » Na siehst du, das war doch schon besser« rieb ihre Nerven wie rauer Sand. Mit dem Schwung der Gereiztheit fuhr sie herum und sah als Erstes Irina, die aufrecht, aber hochrot und mit Tränen in den Augen hasserfüllt zu den Verbrechern hinüberblickte. Diese stellten ein betont höhnisches Lachen zur Schau und zeigten mit Fingern auf sie.
    Es war, als schlüge ein Blitz in Hedwigs Verstand ein. Sie riss Irina den Köcher mit ihren alten Pfeilen aus der Hand und streifte ihn über, während sie bereits mit langen Schritten und wehendem Kleid auf die spottenden Mörder und Vergewaltiger zumarschierte.
    Statt sich davonzumachen, stemmte von Schwarzburg die Fäuste in die Seiten und erwartete sie breitbeinig dastehend, während sich Wilkins Bruder mit herausfordernder Gleichgültigkeit an die Tribünenwand lehnte und schmierig grinste. Hedwig sah von Schwarzburgs schöne, lange, blonde Haare über seinen Kragen fallen und erinnerte sich daran, wie es gewesen war, seinen Stiefel auf ihrem Rücken zu spüren und dabei ihre Freunde leiden zu sehen.
    Ohne innezuhalten, zog sie den ersten Pfeil und schoss. Einen Wimpernschlag lang herrschte völliges Schweigen auf dem Platz, als würde die Menge geschlossen einatmen, dann breitete sich Tumult aus. Hedwig hörte es wie aus weiter Ferne. Von Schwarzburg stand ebenso sprachlos da wie Reinhardt von Torgau. Der Pfeil steckte zwischen ihnen im Holz der Tribünenwand, exakt dort, wohin Hedwig gezielt hatte. Ohne zu zögern, legte Hedwig den nächsten Pfeil auf und schoss, diesmal nah an Reinhardts anderem Ohr vorbei.
    Die umstehenden Männer sprangen in alle Richtungen davon, doch von Schwarzburg wurde von Hedwigs drittem Pfeil gebremst, bevor er daran denken konnte

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