Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
gestimmt und zupfte leise und traurig die Saiten.
Die abendlichen Schatten waren bereits lang und schwarz, als endlich ihr Onkel kam. Er stürmte herein wie ein wütender Bulle, schmetterte Hedwig ihre verschossenen Pfeile vor die Füße, fasste Wilkin, der aufgesprungen war, am Arm und stieß ihn zum Ausgang. » Hinaus!«
Hedwig hatte schon früher erlebt, wie Johann außer sich geraten konnte, wenn etwas ihn gereizt hatte. Sie wusste es eigentlich besser, als sich in seine Reichweite zu begeben, wollte ihn aber nicht gewähren lassen. Entschlossen stellte sie sich ihm in den Weg. » Wilkin hat mir geholfen, lass ihn!«
Ohne auch nur einen Augenblick innezuhalten, holte ihr Onkel aus und schlug sie so ins Gesicht, dass ihr der Kopf zur Seite flog.
Der Schmerz verwandelte sich in flammenden Zorn, sobald sie ihn spürte. Sie hörte noch Irinas Aufschrei und Wilkins » Halt!«, dann ging sie mit geballten Fäusten auf ihren Onkel los. Als er sie festhielt, krallte sie ihre Fingernägel in sein Gesicht und stieß mit dem Knie nach ihm, bis er fluchte.
Wilkin umfasste ihre Handgelenke und zog sie von ihrem Onkel weg, während Irina sich an dessen Arm hängte und auf ihn einredete.
Ein paar Atemzüge lang sträubte Hedwig sich mit zu Klauen gekrümmten Händen gegen Wilkins Griff, um sich wieder auf ihren Onkel zu werfen, dann drang seine Stimme zu ihr durch, die wieder und wieder ihren Namen sagte. Sie entspannte sich ein wenig, und er nahm sie behutsam in die Arme.
Das Gefühl, so warm und sanft gehalten zu werden, hatte sie nicht mehr gehabt, seit Richard sie in ihrem geliebten Wald zum letzten Mal tröstend umarmt hatte. Auf einmal brach der Kummer ihres ganzen Lebens über sie herein. Sie lehnte sich an Wilkin und kämpfte dagegen an, sich in Schluchzen aufzulösen.
» Der Hund?«, hörte sie ihren Onkel Irina fragen, seine Stimme klang ernüchtert. Irina führte ihn ins Nebenzelt und kehrte kurz darauf mit ihm zurück. Wilkin versuchte halbherzig, sie ein wenig von sich zu schieben, doch sie wollte ihren kleinen Moment der Geborgenheit noch nicht aufgeben und verharrte.
» Lass sie los, Mann«, sagte ihr Onkel mit rauer, doch ruhiger Stimme und setzte sich mit einem schweren Seufzer in seinen Stuhl.
Sanft wiederholte Wilkin seine Bemühung, und nun ließ sie es zu. Sie richtete sich gerade auf, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und zeigte mit dem Finger auf ihren Onkel. » Und um dich habe ich mir Sorgen gemacht, du…«
Mit erneut finsterer Miene schlug er sich auf den Oberschenkel. » Was erwartest du denn? Ich habe eine Unterredung mit dem verd… mit…«– erbost zeigte er auf Wilkin, » …mit seinem Patron, unserem Herrn Kurfürsten, in der er mir mitteilt, dass er bereits einen Gatten für dich vorgesehen hat und dass er, nein, weder mir noch dir deshalb ein einziges Stück unseres alten Besitzes zur Mitgift zurückgeben wird, was durchaus damit zu tun hat, dass dein sturer Bruder sich eigenmächtig König Sigismund angedient hat. Dann gehe ich über den Platz und laufe blind in einen Kreis jener verfluchten kurfürstlichen Stiefellecker der ersten Stunde hinein, die mich umkreisen wie räudige Köter und mir damit schmeicheln, dass ich ein zahnloser alter Löwe wäre, der bald verhungern und im Schlamm verwesen würde. Ich will schon dreinschlagen, da kommt unser wackerer Putlitzer Bastard angerannt, packt mich beim Arm und hält mich davon ab, den Kerlen zu geben, was Ratten gebührt. Als Nächstes erzählt er mir, dass meine Nichte sich vor den Augen aller aufgeführt hat wie eine Irrsinnige. Nicht, dass er das gesagt hätte, er nahm dich noch in Schutz! Nein, aber den ganzen Weg hierher raunte man es sich um mich herum zu. So betrete ich mein Zelt, und was sehe ich? Die holde, irrsinnige Jungfer sitzt halb auf dem Schoß bei dem Mann, von dem ich ihr befohlen hatte, sich fernzuhalten. Der Knabe, dessen Vater mich mit seinen Freunden eben noch verspottet hat!«
Hedwig holte Luft und sprach gleichzeitig mit Wilkin.
» Ich habe nicht…«
» Wir haben nicht…«
Johann von Quitzow verbot ihnen mit einer Handbewegung das Wort. » Ich will das nicht hören. Es ist ohnehin gleichgültig. Und das ist das Schlimmste! Ihr könnt ebenso gut heute Nacht im selben Bett schlafen. Warum nicht? Wenn der Kurfürst seinen Willen bekommt– und wie üblich wird er ihn bekommen–, dann heiratet ihr sowieso, noch bevor wir abreisen. Also nur zu. Macht es euch bequem. Ich gestehe allerdings, dass
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