Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
Vom Netzwerk:
dreieinhalb Minuten praktisch den gesamten Flug wieder hereinverdient und obendrein ein kleines Mitbringsel für seine außerordentlich hübsche Frau, bekannt aus Funk und Fernsehen, eine Containerladung Blumen oder so.
    Nun hört sich das vielleicht ganz aufregend an: Morgens raus zum GAT und dann den ganzen Tag irgendwelcher Medienzaren beim Busfahren zusehen– ach, wenn man da nur mitglotzen könnte! Aber erstens muss man sich vor Augen halten, dass es eine ganz erstaunliche Menge an Reichen gibt, die von uns– auf Deutsch– keine Sau kennt, auch und gerade aus dem Ausland. Deutsche Bosse, wie den Dieter Zetsche oder auch den Josef Ackermann, die kennt man ja noch aus der Zeitung, aber wer weiß schon, wie der Chef von Renault aussieht oder der Vorstandsvorsitzende der Banco Santander? Wenn solche Leute zur Kontrolle tappen und man erkennt die gar nicht, dann ist das alles schon mal nur der halbe Spaß. Und zweitens ist es trotz des jüngsten Booms nicht so, dass die Reichen in Frankfurt runterprasseln wie ein Platzregen. Da kommt auch mal sehr lange Zeit überhaupt keiner.
    Und dann steht man halt da.
    Zunächst liest man die Zeitung. Sport. Lokales. Politik. Sogar den Wirtschaftsteil. Und die Leitartikel. Nein, die Leitartikel schafft man beim besten Willen nicht. Dann macht man das Sudoku. Dann das leichte Sudoku, wo nur noch drei Ziffern fehlen.
    Dann schaut man auf die Uhr. Zehn Minuten vorbei.
    Man guckt sich um. Kennt man schon alles. Ledersessel. Couchtische. Marmor. Wie eine Hotellobby, wie eine sehr, sehr gute Hotellobby sogar, aber mehr auch nicht. Es gibt Duschen, es gibt Kabel- TV , falls man mal länger warten muss, aber wohnen mag man hier nicht. Sieht gut aus, wenn man mal kurz durchrauscht. Aber wenn man dort einen ganzen Tag verbringt, ist so ein Ledersessel ziemlich schnell nur ein Ledersessel. Letzteres kann ich auch deshalb sagen, weil wir in den Pausen natürlich drin sitzen durften. Es ist auf GAT nicht so, dass daneben die Bierbänke fürs Personal stehen, damit die Lederbezüge geschont werden. Wir durften nur nichts essen. Kein Ferrero Rocher, auch keine Wasabi-Nüsse. Platz wäre eigentlich genug für eine Tischtennisplatte, aber das macht sich natürlich nicht so gut, wenn irgendein Vorstand reinkommt und kontrolliert werden will, und die Luftsicherheitsassistenten sagen:
    » Moment noch, es steht grad 18:20!«
    Jetzt kann man anfangen, Sprachen zu lernen. Tolstoi zu lesen oder alle Harry-Potter-Bände. Sich Geschenke für Weihnachten 2013 – 2017 zu überlegen. Aber ehrlicherweise muss man sagen, dass kaum jemand dort Tolstoi liest oder Chinesisch lernt, ich hab’s ja auch nicht gemacht. Meine größte Verzweiflungstat hingegen war der Vorschlag, wir könnten doch mal alle fünfzig Bundesstaaten der USA aufzählen. Wir, das waren die Luftsicherheitsassistentin und ich.
    Die Luftsicherheitsassistentin hat geseufzt: » Das ist doch fad!«
    » Nee, das wird bestimmt super!« Das hab ich eigentlich eher gesagt, um mich selbst zu überzeugen.
    Und dann hat der Polizist hinten an der Passkontrolle gefragt:
    » Kann ich mitmachen?«
    So groß kann die Verzweiflung am GAT werden. Wir haben’s geschafft, dank der Hilfe eines US -amerikanischen Kofferträgers. Die Fraport schickt immer zwei Kofferträger zum GAT , denn am GAT trägt man seine Koffer nicht selbst. Wir haben fünf leidlich unterhaltsame Stunden für die Bundesstaaten gebraucht, tja, tut mir leid, mir wär’s auch lieber gewesen, eine beeindruckendere Zeit vermelden zu können. Andererseits…
    Andererseits bin ich hier auch schon mal mit Judith gesessen und habe dabei ein Auge auf ein Mädel in einem der tiefen dicken Ledersessel geworfen. Und das war sehr diszipliniert von mir. Schon deshalb, weil nämlich wieder mal sonst nichts in dem ganzen GAT gewesen ist, auf das man ein Auge hätte werfen mögen. Und außerdem, weil das Mädel wirklich so aussah, dass man gerne ein halbes Dutzend Augen zum Werfen gehabt hätte. Sie war ungefähr dreißig Jahre alt, trug eine schwarze Fleecejacke, schwarze Jeans und Stiefel. Auf ihrem Kopf saß eine undefinierbare schwarze Mütze, von der Form her ging das in Richtung Kopftuch, umwickelt mit toter Katze. Aber nicht mal das konnte den ausgezeichneten Eindruck ruinieren. Also warf ich nochmal einen Blick hin.
    Sie fing ihn mit einem Auge auf, lächelte, wälzte ihn in Puderzucker und zwinkerte ihn mir mit dem anderen Auge zurück. Und da hätte man sich allerhand einbilden können, aber

Weitere Kostenlose Bücher