"Die Bombe is' eh im Koffer"
großen Unterschied macht, ob man was für bin Laden sprengt oder für die RAF oder die IRA . Dass da letzten Endes immer einer auf der Flamme des Hasses sein Süppchen kocht und dass die Leute mit den Sprengstoffgürteln meist am ungläubigsten schauen, wenn sie mal zufällig erfahren, was in der Suppe wirklich drin ist und wem sie warum am besten schmeckt.
Man kann natürlich nicht jeden in diesem Alter nehmen. Man braucht zum einen Leute, die man mit siebzig Jungfrauen locken kann– und mal ehrlich: Siebzig Jungfrauen im Jenseits, das ist ein bisschen wie diese Handylockangebote, so was wie: das neue iPhone für einen Euro. Da weiß doch auch jeder hellere Kopf, dass da noch jede Menge Folgekosten im Kleingedruckten stehen. Na, und die, die an die Geschichte vom geschenkten Handy glauben, das sind dann Leute von dem Kaliber, das ein halbes Jahr später bei RTL als Kundschaft von Peter Zwegat versendet wird. Da sieht man schon die Schwierigkeit der Personalbeschaffung in Terrorkreisen: Man muss einen Typen finden, der einerseits naiv genug ist, die Siebzig-Jungfrauen-Geschichte zu glauben, der andererseits aber clever genug ist, um ein Attentat zu koordinieren. Man sieht: Das erfordert eine gewisse Schizophrenie.
Bei einigen kann man die Jungfrauen auch durch politischen Fanatismus ersetzen, das ist bei manchen Palästinensern so. Die sind dann etwas weniger naiv, dafür aber etwas hasserfüllter– was auch nicht gerade produktiv ist: Wenn man unauffällig durch den Frankfurter Flughafen möchte, braucht man jemanden, der seinen Hass schön diszipliniert versteckt und nicht alle gottlosen westverseuchten Luftsicherheitsassistenten anspuckt.
Also: jung, orientalisch, männlich und– soweit man das vom Aussehen her beurteilen kann– von solider, aber nicht übertriebener Intelligenz. Das ist die Gruppe, die Sie als Polizist etwas genauer betrachten würden, und exakt das tut auch die Luftsicherheit, jedenfalls hat sie es getan, während ich dabei war, und daran hat sich meinen Kollegen zufolge bis heute nichts geändert. Und so wird es wohl auch bleiben, bis sich das Aussehen der Attentäter ändert oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder bis sie sich lieber andere Ziele suchen. Dass wir so falsch nicht liegen, beweisen die Kofferbomber von Köln, die Attentate von Madrid oder der Selbstmordattentäter von Stockholm. Und auch die Tatorte zeigen, dass man damit nicht falsch liegt.
Die Tatorte sind nämlich Reaktionen auf Kontrollen, wie sie am Flughafen vorgenommen werden. Denn warum soll man als Terrorist den schwersten Weg suchen? Warum soll man ausgerechnet am Flughafen zuschlagen– es geht hier ja nicht um die goldene Terroristenmedaille für das ausgeklügeltste Attentat, sondern es geht nur um den größten Effekt mit den einfachsten Mitteln. Kennen Sie die beste Sicherungsmaßnahme, die wir in Deutschland gegen Terroristen haben?
Das sind nicht unsere Kontrollen, obwohl meine Exkollegen und ich uns die größte Mühe geben. Es sind auch nicht die Gesetze, die der Herr Innenminister vorbereitet oder gerade hat verabschieden lassen, und da ist es völlig egal, wer gerade Innenminister ist und welche Gesetze er soeben wieder als Superlösung verkauft. Und es sind auch nicht die Maschinenpistolen, obwohl ich die am niedlichsten finde.
Das sieht man immer auf den Titelseiten, zuletzt bei der Terrorwarnung im Winter 2010/11: Polizisten mit Maschinenpistolen.
Sieht gut aus.
Sieht sicher aus.
Ist aber der blühende Blödsinn.
Was macht eine Maschinenpistole? Sie schießt automatisch, sie schießt Kugeln schneller ab, als man sie einzeln mit seinem Finger am Abzug auslösen könnte, ratatatata, ganze Garben. Man kann sie auch auf Feuerstöße umstellen, dann schießt sie immer drei Kugeln hintereinander ab. So, und jetzt bitte mitdenken: Wir haben einen rammelvollen Flughafen, Männer, Frauen, Kinder, Omas, und mittendrin entdecken wir einen gefährlichen Terroristen, der eine Waffe zieht. Und dann kommen unsere Bundespolizisten herbei, zu dritt, und feuern die Magazine ihrer Maschinenpistolen auf diesen Mann leer. Ich weiß ja nicht, wie sich andere Leute bei dieser Vorstellung fühlen, aber wenn unsere Polizei zwanzigmal schießt, wo sie lieber einmal vernünftig zielen sollte, dann möchte ich nicht hinter einem Terroristen stehen. Oder neben ihm. Man kann sagen: Auf einem knallvollen Flughafen ist die Maschinenpistole zweifellos die sinnvollste Waffe gleich nach dem Flammenwerfer und der
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