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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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allem aber musste der machtbewusste Borgia-Papst das arrogante Auftreten seines «Wahlhelfers» Ascanio Maria Sforza als permanente Demütigung empfinden. Schon bald wurden an die Pasquino-Statue bei der Piazza Navona Verse geheftet, die Alexander VI. als Hauskaplan der Sforza verspotteten. Vorerst hieß es jedoch, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Dazu besaß der Borgia-Papst alle erforderlichen Voraussetzungen: Geduld und die Fähigkeit zur dissimulazione , zur wirkungsvollen Täuschung seiner Gegner. Zudem spielte die Zeit für ihn. Je länger er sich in seinem altehrwürdigen Amt behauptete, desto mehr würde ihm dessen Ansehen und damit auch die Macht der Tradition, der Riten und Zeremonien zufließen. Hinzu kam, dass die breite Öffentlichkeit seine Wahl überwiegend günstig aufnahm. Hier war er durch sein glanzvolles Auftreten und sein Verhandlungsgeschick bekannt; von seiner Erhebung erwartete man sich daher einen zwar durch und durch politischen, aber auch erfolgreichen Pontifikat, wie ihn Europa im Angesicht des unaufhaltsam Vordringen des Osmanischen Reichs dringend benötigte. Die wenigen, die Rodrigo Borgia besser kannten und es daher besser wussten wie die Kardinäle Todeschini Piccolomini und Carafa, drangen mit ihren Kassandrarufen vorerst nicht durch.
    Mit welchen Mitteln Alexander VI. Politik zu machen gedachte, lernten die Römer schnell. Im Februar 1493 stürmten Bewaffnete den Palast Giuliano della Roveres in der Nähe von dessen Kardinalstitelkirche San Pietro in Vincoli, um diesen zu ermorden. Doch erwies sich das Gerücht von seiner heimlichen Rückkehr in die Ewige Stadt als falsch. Statt Giuliano della Rovere töteten die Eindringlinge den Bischof von L’Aquila, der sich zufällig dort aufhielt. Vieles spricht dafür, dass Della Rovere die Nachricht von seinem Inkognito-Aufenthalt in Rom selbst ausgestreut hatte; auf jeden Fall wusste er jetzt, was er in diesem Fall zu erwarten hatte.
    Inmitten dieser Turbulenzen setzte der neue Papst wie gehabt auf seine Familie. Neue Kardinäle zu ernennen war ein Vorrecht, das dem Pontifex maximus niemand, nicht einmal ein selbst ernannter Über-Papst, streitig machen konnte. So verlieh Alexander VI. drei Wochen nach seiner Wahl dem ersten Verwandten den roten Hut. Entgegen der allgemeinen Erwartung wurde nicht Cesare, sondern Juan Borgia-Lanzol in den Senat der Kirche aufgenommen. Er war ein Schwestersohn des Papstes, der nach seinem sizilianischen Erzbistum der Kardinal von Monreale genannt wurde. Doch im selben Konsistorium ging auch Rodrigos eigener Sohn nicht leer aus. Cesare wurde das kurz zuvor zur Erzdiözese erhobene Bistum Valencia übertragen, das die Borgia jetzt schon in der dritten Generation innehatten. Das waren zwei Pluspunkte für die Familie des Papstes.
    Den nächsten Stich aber machten die Sforza, und zwar mit einer Karte der Borgia: Die dreizehnjährige Lucrezia heiratete am 12. Juni 1493 Giovanni Sforza, den Herrn von Pesaro, aus einer Seitenlinie des Mailänder Herzoggeschlechts. So wollten es Ludovico und Ascanio Maria Sforza, und Alexander, ihr «Kaplan», wagte es nicht, sich ihrem Herzenswunsch zu widersetzen. Das galt auch für die Allianz, die die Sforza 1493 mit Rom und Venedig gegen Neapel schmiedeten; obwohl der Papst dabei nur Juniorpartner war und nichts zu gewinnen hatte, setzte er gefügig seinen «Alexander» auch unter dieses Papier. Damit verpflichtete er sich, sein kostbarstes lebendes Faustpfand, den osmanischen Prinzen Djem, an Venedig auszuliefern, falls die Lagunenrepublik Krieg mit Sultan Bajasid II. führen sollte. Als dessen jüngerer Bruder war Djem vor der seidenen Würgeschlinge geflohen, die dem Leben nachgeborener Herrschersöhne am Bosporus regelmäßig ein vorzeitiges Ende setzte, um Thronfolgestreitigkeiten zu verhindern. In der Ewigen Stadt wurde der noble Prinz, der auf seinem edlen Schimmel mit einem weißen Turban auf dem Kopf durch die engen Gassen der Ewigen Stadt zu reiten pflegte, viel bestaunt – und von den päpstlichen Garden als fürstliche Geisel diskret bewacht.
    Anstatt ein Bündnis zu schließen, das seinen Konkurrenten nützte, hätte Alexander VI. lieber den Einflüsterungen König Ferrantes sein Ohr geliehen. Der ältliche Monarch von Neapel winkte nämlich mit der Hand seiner unehelichen Tochter Sanchia und einer Reihe ebenso prestigeträchtiger wie lukrativer Lehen als Mitgift für den Bräutigam, nach freier Wahl des Vaters entweder Cesare oder Jofré. Das

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