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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Berge, unter anderem seinen Palast beim Vatikan. Solchen Versuchungen würden – so Borgias Kalkül – auch die zur Zweidrittelmehrheit noch fehlenden Kardinäle nicht widerstehen können. An der Kurie galt schließlich ganz überwiegend die Regel «Du bist, was du hast». Gegen diesen Kult der Äußerlichkeiten mochte die Fraktion der wertkonservativen Reformer, die sich um die Kardinäle Francesco Todeschini Piccolomini, einen Neffen Pius’ II., und Oliviero Carafa aus einer vornehmen neapolitanischen Adelsfamilie scharten, noch so wettern – auf die Habgier der Purpurträger war Verlass.
    Das zeigte sich im Konklave rasch. Diesmal ließ sich Giuliano della Rovere von einer Finte seiner Gegner täuschen und wiegte sich in der trügerischen Sicherheit, dass Ascanio Maria die Kandidatur Borgias fallen gelassen hatte. In Wirklichkeit jedoch ging dieser in der kochend heißen Nacht vom 10. zum 11. August 1492 auf Stimmenkauf. Während die wenigen unbestechlichen Kardinäle den Schlaf der Gerechten schliefen, brachte der umtriebige Sforza auf diese Weise die notwendige Zweidrittelmehrheit zusammen. Wer in dieser Nacht der kostbaren Präsente was erhielt, machte binnen kurzem in Rom und bald auch an den europäischen Höfen die Runde: Für den Kardinal Giovanni Battista Orsini waren es die Lehen Monticelli und Soriano, die Legation der Provinz Marche und das einträgliche spanische Bistum Cartagena; für seinen Rivalen aus der Familie Colonna fiel unter anderem die Abtei Subiaco ab. Selbst der venezianische Kardinal Giovanni Michiel, den Giuliano della Rovere in letzter Minute als Kompromisskandidaten unterstützt hatte, ließ sich am Ende durch solche «Geschenke» gewinnen. Am Ende sollten es alle drei bitter bereuen, Orsini und Michiel zahlten für ihre Bestechlichkeit sogar mit dem Leben.

    In Pintoricchios Fresko der Auferstehung Christi kniet Papst Alexander VI. als frommer Beter; als Zeichen der Demut hat er die edelsteinbesetzte Tiara abgelegt. Allein sein prachtvolles Gewand lässt etwas vom Lebensstil der Borgia ahnen (Vatikan, Sala dei Misteri).
    So war in den frühen Morgenstunden des 11. August 1492 der neue Papst gemacht. Als Pontifex maximus nannte sich Rodrigo Borgia Alexander VI., was eigentlich einer falschen Zählung gleichkam, denn Alexander V., der 1409 in Pisa gewählt worden war, galt offiziell als Gegenpapst. So begann der Pontifikat, der Europa zuerst das Staunen und dann das Fürchten lehren sollte, bereits mit einer Merkwürdigkeit.

6. Der zweite Borgia-Papst und sein Vormund
    Dass für die Mitglieder der Familie Borgia, ihre Gefolgsleute und Landsmänner mit der Wahl Rodrigos zum Papst goldene Zeiten anbrachen, war vorherzusehen gewesen. An der Kurie schlug jetzt die Stunde der Katalanen, speziell der Valencianer. Ihre Sprache wurde zum vatikanischen Idiom, sehr zum Ärger der Italiener, die dadurch von der geheimen Konversation des Hofes ausgeschlossen wurden. Ebenso selbstverständlich gewannen die Anhänger der Sforza Oberwasser; ohne Ascanio Marias Billigung wurde an der Kurie vorerst keine Entscheidung getroffen. Sorgen machen musste man sich vor allem in Neapel. Nicht nur, dass die Mailänder Feinde die Richtlinien der Politik bestimmten, machte dort Angst; auch die Aspirationen der Borgia auf den Thron in Neapel waren unvergessen.
    Doch auch der Papst war alles andere als sorgenfrei. Sein Hauptfeind Giuliano della Rovere hatte sich kurz nach dem Konklave nach Frankreich abgesetzt. Dort versuchte er, den jungen König Karl VIII. zu einem Zug nach Neapel zu bewegen, das seine Familie weiterhin als Erbe der Anjou reklamierte. Ins selbe Horn stieß Ludovico Sforza, der auf diese Weise die aragonesische Dynastie am Vesuv zu stürzen hoffte. Ausschlaggebend für diese Feindschaft waren familiäre Gründe. Sforza hatte seinen Neffen Gian Galeazzo, den legitimen Herzog von Mailand, von der Macht verdrängt; dieser aber war mit einer Prinzessin aus Neapel verheiratet, die sich zusammen mit ihrer Familie über diese Zurückstellung empörte. Wenn der Italienzug des französischen Monarchen Wirklichkeit wurde, musste die Stellung Alexanders VI. aufs Höchste bedroht werden. Seine Wahl war durch Simonie, das heißt durch Ämterkauf, entschieden worden, was den europäischen Fürsten optimale Handhaben bot, diese Erhebung anzufechten und mit einem Konzil zur Absetzung des Papstes zu drohen, falls politische Zwistigkeiten ein so drastisches Vorgehen angeraten erscheinen ließen.
    Vor

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