Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Sollte man diese erfolglose Herrschaft also nicht besser liquidieren? In diesem Punkt waren sich Karl VIII. von Frankreich, Ferdinand von Aragón und Alexander VI. ausnahmsweise einig: In Neapel war eine grundlegende Neuordnung der Herrschaftsverhältnisse dringend vonnöten. Wer den Thron der Normannen und Staufer erben sollte, Spanien, Frankreich oder die Borgia, darüber gingen die Meinungen allerdings weiterhin stark auseinander. Doch diese Frage entschied erst einmal der sterbende Ferrandino selbst: Auf dem Totenbett bestimmte er seinen Onkel Federico d’Altamura zum Nachfolger. Dass dessen Herrschaft nur für eine kurze Übergangszeit Bestand haben würde, war absehbar. Zu schwach war der innere und äußere Rückhalt eines solchen Schattenkönigs. Vor diesem Hintergrund erteilte Alexander VI. Federico d’Altamura, dem voraussichtlich Letzten seines Geschlechts, ohne weiteres seinen Segen als oberster Lehnsherr.
Parallel dazu wurden die Orsini als Rebellen gegen die Kirche und noch vollmundiger als «Feinde Italiens» gebrandmarkt. Damit war gemeint, dass sie willige Helfershelfer Karls VIII. gewesen waren, doch das galt für die Hälfte aller Herrscher auf der Halbinsel. Zum obersten Befehlshaber im Kampf gegen diese angeblichen Aufrührer wurde Giovanni Borgia ernannt; er erhielt den stolzen Titel eines Generals der Kirche. Vorsichtshalber heuerte der Papst mit Herzog Guidobaldo da Montefeltro, dem Herzog von Urbino, einen professionellen Söldnerführer (Condottiere) an. Allerdings war dieser gebildete Sohn eines als General renommierten Vaters so gichtkrank, dass er sich in einer Sänfte aufs Schlachtfeld tragen lassen musste. Auf der Seite der Orsini hingegen führte mit Bartolomeo d’Alviano ein erfahrener und erfolgreicher Condottiere das Kommando, der aufgrund seiner persönlichen Tapferkeit den Respekt seiner hartgesottenen Soldaten genoss. So kam es, wie es kommen musste: In der Schlacht von Soriano, nördlich von Rom, schlug das Heer der Orsini am 25. Januar 1497 das päpstliche Aufgebot vernichtend. Guidobaldo da Montefeltro wurde gefangen genommen, Giovanni Borgia leicht verletzt, der Papst musste kapitulieren. Im kurz darauf geschlossenen Frieden mussten die Sieger zwar Zugeständnisse machen und eine hohe Kaution für ihr künftiges Wohlverhalten stellen, doch wurden alle ihre Verurteilungen kassiert.
Eine einzige Baronalfamilie hatte über den Papst triumphiert: Der Ausgang des Krieges zeigte unübersehbar, wie schwach ausgebildet die Machtbasis des Kirchenstaats und wie stark die Stellung der großen Adelsfamilien weiterhin war. Doch waren die Sorgen der Sieger kaum geringer als die der Verlierer. So wie man den Papst kannte, würde er alles daran setzen, um diese Scharte so schnell wie möglich auszuwetzen.
Zu den Verlierern gehörte auch Ascanio Maria Sforza. Er hatte Alexander VI. zu einem entschiedenen Vorgehen gegen die Orsini gedrängt und auch die Ernennung Giovanni Borgias zum General wärmsten begrüßt. Jetzt machte ihn der erzürnte Papst für die Niederlage mit verantwortlich; als Ratgeber hatte er definitiv ausgedient. So sah sich der Borgia-Papst jetzt nach neuen Verbündeten in Rom und Italien um. Als Sforza kurz nach der Schlappe von Soriano lebensgefährlich erkrankte, glaubte die Öffentlichkeit, aber auch der Patient selbst, dass das Gift der Borgia in seinen Adern kreiste. In den wenigen lichten Momenten zwischen Ohnmacht und Delirium beschwor der Kardinal seine Getreuen, ihn nach Genazzano und damit in eine feste Burg der Colonna zu bringen. Das konnte Alexander VI. nicht auf sich sitzen lassen. Bei einem Besuch am Krankenbett beschworen der Papstmacher und der Papst eine Freundschaft, die auch in ihren besten Zeiten immer nur auf wechselseitigen Nutzen berechnet und nun, wie alle wussten, zu Ende war.
Entgegen den Vorhersagen der Ärzte erholte sich der sieche Kirchenfürst wieder. Nach den Symptomen zu urteilen, hatte der Zweiundvierzigjährige gerade einen heftigen Malariaanfall überstanden. So besorgt sich sein päpstlicher «Freund» auch während seines Darniederliegens gezeigt hatte, die facultas testandi , das Recht, seine Besitztümer in einem Testament an frei gewählte Erben zu vermachen, hatte ihm Alexander VI. gleichwohl verweigert. Wäre Sforza 1497 gestorben, so wäre sein Vermögen (und damit auch der Palast beim Vatikan) an die Kirche und damit an die Borgia zurückgefallen.
Wirklich froh wurde Ascanio Maria seiner Genesung nicht, denn der
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