Die Boten des Todes
Abgeschiedenheit, wie es sich für ihren
Beruf gehörte. Ada parkte den Wagen vor dem Kletterrosenzaun und läutete. Aus
der Sprechanlage fragte Irmelas Stimme.
»Ich bin es, du Nachtgespenst!«
Nach einiger Zeit schnarrte es an der
Pforte und die Haustür öffnete sich. Irmelas Pferdeantlitz kam zum Vorschein.
Sie rauchte eine lange Zigarette aus einer noch längeren Spitze.
»Tritt näher, meine Liebe!«
Ada begrüßte sie und folgte ihr ins
Haus. Die Unordnung war phantastisch. In Irmelas Arbeitszimmer stand am Fenster
ein ungeheurer Schreibtisch, auf dem ungefähr zwei Zentner Papier lasteten.
Ringsum waren die Wände von Büchern verdeckt, darunter mehrere Meter von
Irmelas eigener Hand. Die beiden Damen setzten sich an einen Tisch, auf dem
noch das Frühstücksgeschirr herumstand. Irmela betrachtete ihren Gast mit
leicht boshaftem Lächeln. »Wie hast du geschlafen, Liebste? Die erste Nacht im
eigenen Heim?«
»Dank deiner reizenden Einfälle nicht
sehr gut«, erwiderte Ada.
Der Rauch kräuselte sich über Irmelas
Spitze. Sie schien belustigt. »Einfälle?«
»Irmela«, sagte Frau Ada energisch,
»ich hatte Mühe, Adrian abzuhalten. Sonst säße er jetzt an meiner Stelle. Er
war sehr, sehr ärgerlich. Wir haben dreiviertel der Nacht kein Auge zugetan.«
»Ich wäre dir zugetan, wenn du mir
erklären würdest, wovon du redest, mein Engelchen.«
»Irmela! Es lag ein lächerliches
Märchenbuch auf Adrians Nachttisch! Vor seinem Schlafzimmer stand ein Pappsarg
mit einem Skelett! In meinem Bad hing eine scheußliche Räuberpuppe mit der
Aufschrift, ich würde meinem Manne bald nachfolgen. Es war gestern nacht jemand
in unserem Hause! Sag mir, daß du es warst! Es hat genug Unruhe und Aufregung
gegeben! Der arme Adrian!« Irmelas Augen glitzerten teuflisch. »Jemand im Haus?
Interessant! Das mußt du mir ganz genau erzählen!«
»Tu nicht so, als ob du es nicht
wüßtest! Es ist abscheulich!«
Frau Ada berichtete stockend die
Geschehnisse.
»Wunderbar!« Irmela rieb sich die
gigantischen Hände. »Einfach wunderbar! Das nenne ich wirklich eine
Überraschung. Wie schade, daß ich nicht dabeisein konnte!«
»Irmela! Erklär mir jetzt endlich, wie
du es angestellt hast! Wenn du gesehen hättest, wie ich erschrocken bin, wäre
dir nicht so fröhlich zumute! Wie bist du hineingekommen? Wo bist du gewesen?«
Irmela lachte glucksend. »Ich bin überhaupt
nicht hineingekommen, mein Kind. Und gewesen bin ich bei Franchesi — bis zum
Sonnenaufgang. Er war herrlich anzusehen!«
»Irmela! Du lügst!«
»In diesem Falle wäre es eine Lüge,
wenn ich zugeben würde, bei euch gewesen zu sein.«
Ada betrachtete sie entgeistert. »Du
warst es nicht?«
»Ich war es nicht, Liebste. Leider. Ich
bin von euch aus direkt zu Franchesi gefahren. Die Nacht war so wundervoll und
ich war noch kein bißchen müde. Der gute Franchesi wird es dir gern bestätigen.
Willst du ihn anrufen?«
Ada brachte kein Wort heraus.
»Ich bekenne, ich bin geschmeichelt,
daß ihr zuerst an mich gedacht habt. Vernünftig von euch. Auch ich hätte zuerst
an mich gedacht. Ah — ein Märchenbuch. ›Die Boten des Todes.‹ Wundervoll!«
Frau Ada schluckte trocken. »Ja, aber —
wer sollte denn... dann kann es nur noch dieser Cigaglia gewesen sein!«
Wieder grinste Irmela diabolisch.
»Signor Carlo? Ich fürchte, auch da wirst du kein Glück haben.«
»Ich fahre sofort zu ihm!«
»Es ist sinnlos, Liebste. Er war mit
mir bei Franchesi. Auch er verspürte keine Müdigkeit. Statt dessen Durst. Ich
nahm seine Einladung gern an. Franchesi war reizend zu uns.«
Ada schwieg. Sie wußte, daß Irmela die
Wahrheit sprach. Es war unnötig, Franchesi zu fragen.
»Bitte — gib mir auch eine Zigarette!«
»Mit Vergnügen, meine Liebe.«
Ada rauchte hastig. »Aber um Gottes
willen — wer war es dann? Wer macht so etwas? Und warum? Was soll dieser Unsinn
und die komischen Drohungen?«
»Oh, da gibt es manche Möglichkeiten.
Vielleicht kommt eine niedliche Erpressung dabei heraus. So was ist schon oft
dagewesen. Selbstverständlich habe ich es schon verwendet. Dort siehst du das
Buch. ›Tod nach den Flitterwochen‹. War ein großer Erfolg. Ich gebe es dir gern
mit, wenn du...«
»Ach, Irmela. Sag mir lieber, was wir
tun sollen!«
»Zunächst könnt ihr gar nicht viel tun,
mein Herzchen. Nur abwarten. Wenn es der Spaß irgendeines Bekannten war, wird
er sich nicht wiederholen. Und wenn etwas Ernsteres dahintersteckt, dann wird
schon noch anderes
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