Die Boten des Todes
kannte.
Er hat ihm die Armbrust erklärt, vom Sessel aus, oder der Mörder tat so, als
würde er sich dafür interessieren und wollte sie spaßeshalber spannen...«
Stalacarro nickte. »Hm. Das dachte ich
auch. Spaßeshalber.«
Er nahm einen Pfeil aus dem Köcher und
ging mit lautlosen Schritten zu dem Toten. Er hielt den Pfeil neben den
anderen. Sie glichen sich genau. — Stalacarro räusperte sich und wandte sich
um. Stasi hatte sich nicht bewegt.
»Na«, sagte Stalacarro. »Soweit wäre
wohl alles klar. Leider ist das erst der kleinste Teil. Wo ist Frau van
Noringen?«
»In ihrem Zimmer. Sie brach zusammen.
Wir mußten sie in ihr Bett bringen. Ich weiß nicht, ob sie noch bewußtlos ist.
Der Arzt ist bei ihr... und Fräulein Natholm.«
»Die Zofe, die seit heute im Haus ist?«
»Ja.«
Stalacarro ging hinüber zum Kamin. Er
schob den Pfeil in den Köcher zurück. Dann legte er die Armbrust vorsichtig auf
den Rauchtisch und zog die Zwirnhandschuhe aus. Er wies auf den Toten.
»Fräulein Natholm war allein mit ihm im Haus?«
»Bis wir vom Garten zurückkamen, ja.
Wenn nicht ein Fremder dagewesen ist.«
»Bis jetzt habe ich keinen gesehen«,
sagte der Hauptmann. Er stellte sich dicht vor Stasi hin. Seine engen Augen
funkelten. »Finden Sie nicht auch, daß das ein wilder Witz ist, mein Lieber?
Bisher sind die einzigen, die ihn umgebracht haben könnten, dieses Fräulein und
Sie. Und Sie sind drei Tage im Haus, und das Fräulein einen.«
»Das wundert mich auch, Herr
Hauptmann«, sagte Stasi eisern. »Und außerdem geht dieser Spuk wohl schon
längere Zeit.«
»Spuk«, sagte Stalacarro leise.
»Sinnlos. Lady Chisterbeere... wozu? Noringen... wozu? Sinnlos. Aber eines
Tages komme ich dahinter, warum das alles geschieht. Wie sagt Herr Hamlet von
Dänemark so schön?«
Stasi antwortete: »Ist es gleich
Wahnsinn, hat es doch Methode.«
»Sehr richtig. Kommen Sie.«
Stasi folgte ihm durch die Tür. Zwei
Männer standen davor. Der Fotograf und ein anderer mit einer abgewetzten
Ledertasche. Stalacarro deutete auf die Tür. Die Männer nickten stumm. Sie
gingen hinein zu dem Toten. Stalacarro strich sich über das Gesicht. »Holen Sie
mir bitte das Fräulein Natholm. Bleiben Sie dann bei dem Doktor, falls er etwas
braucht.«
Stasi nickte und ging. Der Hauptmann
sah ihm nach, wie er an die Tür von Frau Adas Schlafzimmer trat und klopfte. Er
verschwand. Gleich darauf kam das Mädchen heraus. Sie sah ihn unbefangen an,
aber Stalacarro bemerkte Tränenspuren in ihren Augenwinkeln. »Fräulein
Natholm?«
»Ja.«
»Ich bin Hauptmann Stalacarro von der
Kantonspolizei. Können wir in Ihr Zimmer gehen?«
»Natürlich.« Sie öffnete die Tür neben
Frau Adas Schlafzimmer. Stalacarro trat ein. »Bitte entschuldigen Sie... es ist
noch nicht... ich bin heute vormittag erst angekommen.«
»Ich habe es gehört«, sagte Stalacarro
mit Nachsicht. »Darf ich mich setzen?«
»Bitte sehr... natürlich... Verzeihung...«
Corry setzte sich ihm gegenüber und hielt den Kopf gesenkt.
»Heute vormittag«, sagte er. »Und
gleich so etwas. Um so mehr werden Sie erschüttert sein.«
»Es ist furchtbar.« Sie sprach ohne
jeden falschen Ton. »Er war so ein lieber Herr.«
»Werden Sie hierbleiben?«
Sie zögerte, sah ihn an, als wollte sie
von ihm einen Rat. »Ich weiß nicht... ich glaube, ich sollte Frau van Noringen
jetzt nicht im Stich lassen...«
Der Hauptmann nickte wohlwollend. »Das
ist recht von Ihnen. Können Sie mir ein paar Fragen beantworten?«
»Natürlich.«
»Als Herr La Verne Sie abholte... hat
er etwas von den Vorgängen hier im Hause erzählt?«
So, dachte sie. Die erste Falle. Es war
nicht gut, mit einer Lüge anzufangen. Er war lange mit Stasi allein gewesen.
Vielleicht hatte Stasi das schon zugegeben. Hoffentlich.
»Ja. Auf dem Bahnhof hat er eine
Andeutung gemacht... und als wir ankamen...« sie richtete sich auf, »...natürlich...da
war der Zettel...«
»Zettel?« fragte Stalacarro unbewegt.
»Ja... an der Tür war ein Zettel...
Stas... Herr La Verne hat ihn holen wollen, während ich auspackte...«
Der Hauptmann zog mit spitzen Fingern
den Zettel aus der Brieftasche. Er stand auf, kam zu Corry hinüber. »Ist es
der?«
Sie sah die Blockbuchstaben, die sie
kannte. »Das ist er.«
Während Stalacarro zurückging, atmete
sie voller Erleichterung. Sie hatte es richtig gemacht. Stasi mußte schon alles
berichtet haben.
»Und dann?«
»Dann hat er mir noch mehr erzählt...
jemand hätte etwas gegen
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