Die Boten des Todes
Vorschlag
abzulehnen. Nein, nein! Ziehen Sie in Gottes Namen hinaus! Ich bleibe hier!«
»Ich dachte es mir.« Irmela war von
berstender Freude erfüllt. »Ihnen fehlt der Mut zum Abenteuer. Schade, mein
Lieber, sehr schade. Was wollen Sie tun? Sie haben dasselbe Recht wie ich.
Verkaufen können wir nur, wenn beide Teile damit einverstanden sind. Ich denke
nicht an Verkauf. Sie?«
Der Anwalt wartete. Er legte die
Fingerspitzen aneinander. Seine Stimme wurde leise. Er hielt den Kopf schräg.
Seine Augen enthielten alle Verschlagenheit seiner levantinischen Vorfahren.
»Auch ich habe nicht daran gedacht, meine Gnädigste. Aber ich hätte Ihnen einen
anderen Vorschlag zu machen.«
Irmela lauschte mit äußerster
Konzentration seinen Worten.
»Cigaglia wird bald kommen«, sagte
Anastasius La Verne. Er saß in einer Ecke des Speisezimmers und sah Corry zu,
die dem festlich gedeckten Tisch den letzten Schliff gab. Silber und Porzellan
funkelten. Corry trat zurück und betrachtete ihr Werk. »Fünf Gänge«, sprach
Stasi weiter. »Der gute Hauptmann Stalacarro wird die Bestecke
durcheinanderbringen. Ich glaube nicht, daß er häufig zu fünf Gängen eingeladen
wird.«
Corry rückte eine der kunstvoll
gefalteten Servietten zurecht. In die Lautlosigkeit drang schwach das hastige
Hämmern einer Schreibmaschine.
Stasi deutete mit dem Daumen nach oben.
»Wenn sie so weiterschreibt, wissen wir noch heute abend, wer der Mörder von
Sasso quadrato ist. So was von Arbeitswut!«
»Und von Kaltschnäuzigkeit«, stellte
Corry sachlich fest. »Vor fünf Tagen hat man ihre Freundin beerdigt. Angeblich
ihre beste. Vorgestern ist sie in dieses Haus gezogen. Und heute gibt sie ein
Festessen.«
Stasi schnipste geringschätzig mit den
Fingern. »Beste Freundin! Das heißt bei Frauen nur: die ungefährlichste. Und
das Essen heute ist eine Art Dankopfer für die Erbschaft. Der Hauptmann und der
Anwalt sind die richtigen Teilnehmer für so was. Wir natürlich auch. Vielleicht
ist der Mörder dabei. Gib schön acht, wie er deine Prachtserviette
auseinandernimmt.«
Die Tür stand einen Spalt breit offen.
Von der Küche her kam Geklapper. Zuweilen murmelte die Köchin vor sich hin.
Corry schloß die Tür. »Stasi«, fragte
sie fast unhörbar. »Die Zirli hat das Haus geerbt... glaubst du, daß sie Frau
van Noringen umgebracht hat?«
Er schob die Hände in die Taschen
seiner Smokingjacke und schaute schräg nach oben in die Augen des Mädchens. Sie
erwiderte seinen Blick, als hinge viel von seiner Antwort für sie ab.
»Glauben«, sagte er langsam, »glauben ist eine Sache der Kirche. Wissen muß man
es. Natürlich kann sie im Park gewesen sein. Die Frage ist, wie sie so schnell
in ihr Haus zurückgekommen ist. Vielleicht hatte sie jemanden, der es für sie
tat. Oder auf eigene Rechnung.«
»Cigaglia?«
»Wäre möglich. Er erbt die Hälfte. Es
sind schon Leute für weniger umgebracht worden.«
»Wenn ich nur wüßte, wie es gewesen
ist«, sagte Corry abwesend.
»Es wird schon noch auf mir sitzen
bleiben«, antwortete er. »Hoffentlich haben die hier ein komfortables
Untersuchungsgefängnis. Was ist? Willst du Stalacarros Arbeit machen? Er macht
sie schon schlecht genug.«
»Ich will...«
Stasi erfuhr nicht mehr, was sie
wollte. Die Klingel schrillte zwischen ihre Worte.
»Schon ist er da«, sagte Stasi
gleichmütig. Er stand auf. »Ich werde ihn zu seiner Auftraggeberin geleiten.«
»Du nimmst das alles nicht ernst«,
sagte sie mit traurigem Vorwurf. Er rückte seine Schleife zurecht.
»Ich nehme das alles viel ernster, als
du denkst. Vor allem deswegen, weil ich vorhabe, noch etwas länger zu leben.«
»Wenn sie sich nur gegenseitig
umbrächten!« Ihre Stimme drang laut durch das Zimmer.
Stasi legte den Finger an die Lippen.
»Pscht! Vielleicht tun sie es sogar. Aber sie sollen bis nach dem Essen
warten.« Er ging zur Tür und hinaus. Gleich darauf erblickte er den hohen
Schädel und die gewaltigen Ohren Doktor Cigaglias. »Guten Abend, Dottore!
Bitte, treten Sie ein. Die gnädige Frau erwartet Sie.«
»Guten Abend, mein Lieber. Sie
arbeitet?«
»Jawohl. Aber sie wird bestimmt
zwischen zwei Morden Zeit für Sie haben.«
Der Anwalt trug einen hellen
Staubmantel über dem Smoking. Schleife und Kummerbund glänzten schwachrot. Ein
verhinderter Torero, dachte Stasi. Wo kriegen wir ein Stierchen für ihn her?
Cigaglia legte den Mantel ab. Er nahm
eine schmale Aktentasche mit sich und folgte ins Obergeschoß. Das Gerassel
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