Die Botin des Koenigs reiter2
dachte Karigan. Und genau das wollte Shawdell sich verschaffen und hat deshalb eine Bresche in den Wall gerissen.
»Wilde Magie ist die Grundlage aller Magie. Warum dieses Reservoir von Magie im Kanmorhan Vane, im Schwarzschleierwald, verblieben ist, während sich die Magie an anderen Orten nicht erholte, verstehen wir nicht. Vielleicht hat der Wall die Magie umschlossen und dadurch konserviert, während sie auf dieser Seite des Walls nach dem Langen Krieg nach und nach verschwunden ist. Vielleicht ist hinter dem Wall noch ein Überrest von Argenthyne verblieben, der sie bewahrt.«
»Argenthyne«, murmelte Karigan. »Es existierte also wirklich? «
»Ausgerechnet du, die du von der Gunst von Laurelyn berührt wurdest, bezweifelst das?« Der Prinz zog überrascht die Brauen hoch. »Argenthyne war die größte Enklave unseres Volks und Laurelyn seine Königin und Hüterin.«
Während dieser Worte wuchs eine Stadt mit schlanken Türmen, die von Wald umgeben war, aus dem Wasser in der Schale. Karigan beugte sich vor und bestaunte die Stadt, die Brunnen, die in Gärten glitzerten, und einen Adler, der im Wind über ihr segelte. Ein beinahe durchsichtiger Palast, errichtet aus der Substanz des Lichts, erhob sich hoch über den Rest der Stadt, und Karigan wusste sofort, dass es sich dabei um Laurelyns legendäre Mondstrahlburg handelte. Sternbilder und ein silberner Mond hingen über allem und ließen die Türme in der Nacht schimmern. Es war ein Ort lebendiger Schönheit.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine Bewegung, und als sie aufblickte, keuchte sie. Wie ein Echo der Bilder im Wasser bewegte sich der Nebel auf der Lichtung und bildete
Phantomgestalten und Gebäude und sogar einen Springbrunnen nach. Die Bilder waren ohne scharfe Umrisse und wogten und blähten sich, als natürlicher Wind den Nebel davontrug. Sie hörte aus der Ferne harmonische Stimmen und hatte das Gefühl, sich in einem der Gärten zu befinden, an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit, oder vielleicht in einem Traum.
»Argenthyne«, flüsterte Prinz Jametari und schüttelte den Kopf. »Das verlorene Argenthyne. Mornhavon und seine Legionen haben es erobert, ein Schlag, von dem wir uns niemals erholen werden.«
Der Adler über dem Wasser flog davon und verschwand in der Nacht. Die helle Stadt wurde trübe. Pflanzen überzogen die Brunnen, die faulig und schlammig wurden. Dornenranken wuchsen über alles und erstickten die Gärten, und Türme stürzten ein. Laurelyns Burg verblasste.
Der Nebel auf der Lichtung wurde bleiern, und die schönen Wesen und Bilder schmolzen, wichen verkrüppelten Ästen, die knackten wie alte Knochen. Karigan wich zurück, als sie sich über ihr erhoben wie schwarze Skeletthände, bereit, sie zu packen. Im letzten Augenblick verloren sie die Gestalt und drifteten davon.
Die Vision der Stadt, die über dem Spiegel des Mondes geschwebt hatte, war vollkommen verschwunden, und nur die Schale mit dem Wasser war geblieben.
Angesichts des Verlusts solcher Schönheit lief Karigan eine Träne über die Wange und blieb an der Spitze ihres Kinns hängen. Der Prinz streckte die Hand aus und fing den Tropfen auf, bevor er den Spiegel des Mondes verunreinigen konnte. In seiner Hand sah die Träne wie eine Perle aus.
»Der Verlust von Argenthyne ist für uns ein Grund zu großer Trauer«, sagte er. »Einer von vielen. Es gibt jedoch Hoffnung,
dass noch etwas Gutes geblieben ist, selbst dort im Herzen von Kanmorhan Vane. Vielleicht kann etwas von dieser Güte die Dunkelheit aufheben, die die wilde Magie vergiftet, die nun durch den Wall dringt.«
»Die wilde Magie dringt durch den all …«
»Ja. Du hast sicher von ungewöhnlichen Ereignissen in eurem Land gehört?«
Sie nickte.
»Sie sind auf die wilde Magie zurückzuführen. Ich glaube, das Erwachen dunkler Mächte auf der anderen Seite des Walls hat auch die wilde Magie geweckt. Du kannst nicht erwarten, dass sie in einer Welt, die sich seit über tausend Jahren mit sehr wenig Magie eingerichtet hat, ohne Einfluss bleibt.«
Das erklärte vieles – das, was mit den Fähigkeiten der Reiter geschah, und alles andere.
»Krieg hat uns niedergestreckt«, sagte der Prinz, »und der Verlust der Magie könnte unser Ende sein. Und dann gibt es noch dich, Galadheon.«
Er streckte die Hand aus und berührte die Narbe an ihrer Schulter, wo Grae ihren Ärmel zerschnitten hatte. Karigan zuckte zurück, erschrocken über die plötzliche Berührung, erschrocken über die Energie,
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