Die Botin des Koenigs reiter2
Rüstungen absah, die in diesem Flügel überall an den Wänden aufgestellt waren. Wo waren all die Wachen aus Fleisch und Blut, die sich sonst in diesen Fluren aufhielten? Vielleicht war ja gerade Ablösung …
Die Rüstungen machten sie irgendwie nervös und gaben ihr das Gefühl, beobachtet zu werden. So leer sie auch sein mochten, sie hatten etwas Bedrohliches an sich. Vielleicht lag es an ihrer menschlichen Gestalt oder an diesen schattenhaften Blicken der Augenschlitze.
Karigan hatte diese Art der Dekoration immer schon seltsam gefunden, aber sie wusste, dass die Rüstungen dazu dienten, alle, die sie sahen, an die kriegerische Stärke des Königreichs zu erinnern. Einige Rüstungen in der Burg hatten großen sacoridischen Rittern gehört, andere waren Geschenke von Herrschern anderer Länder an die Könige gewesen. Die im Diplomatenflügel waren kunstvoller, die meisten aus gebläutem Stahl, vergoldet mit Schnörkelmustern und mythischen Geschöpfen. Es waren Paraderüstungen, die einmal angelegt worden waren, um andere Höflinge zu beeindrucken, nicht um auf einem Schlachtfeld zu schützen.
Die Rüstung, die direkt neben Karigans Tür stand, war glänzend schwarz emailliert und hatte nur wenig Goldschmuck. Eine Hellebarde mit Wappen war ihr in die Panzerhandschuhe gesteckt.
Karigan hatte sich an ihre Gegenwart gewöhnt und gönnte ihr kaum einen Blick; stattdessen dachte sie daran, wie sie ihre Bitte an König Zacharias am geschicktesten vorbringen sollte, um ihn zu überzeugen, dass er sie tatsächlich zum Wall schicken musste.
Zu behaupten, Nachtfalke wüsste, dass Alton noch am
Leben sei, würde bestenfalls ihrer Glaubwürdigkeit schaden, und das wollte sie auf keinen Fall.
Als sie so dort vor der Tür ihres Zimmers stand, hörte sie plötzlich ein Knirschen von Metall gegen Metall. Sie sah sich im Flur um. Nichts regte sich, nichts hatte sich verändert. Es war wieder still.
Sie nahm an, dass sie sich das Geräusch nur eingebildet hatte, aber als sie sich umdrehte, um weiterzugehen, hörte sie es abermals. Sie starrte die Rüstung neben sich an. Saß der Helm ein klein wenig schiefer als sonst?
Unmöglich.
Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken abzutun, aber aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich ein Panzerhandschuh in der Armschiene drehte.
Karigan fuhr herum, um die Rüstung genauer zu betrachten. Zu ihrem Erstaunen richtete das Ding sich klappernd aus seiner ein wenig zusammengesackten Haltung auf.
Wenn Tegan ihr hier einen Streich spielte …
Bevor sie das Visier des Helms heben konnte, um das herauszufinden, riss die Rüstung die Arme nach oben und schlug mit der Hellebarde zu.
Nur ihre schnellen Reflexe retteten Karigan. Sie war schon weggesprungen, als die Hellebarde dort durch die Luft sauste, wo sie noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte. Die Axtklinge bohrte sich in den dicken Teppich.
Als sie zurückwich, drohte ihr Herz, sich durch die Rippen zu hämmern, weil auch hinter ihr Unheil verkündendes Klappern ertönte. Zu ihrem Entsetzen drehten sich die Helme auf anderen Rüstungen, als wollten sie sie ansehen. Scharniere quietschten, als Ellbogen gebeugt wurden. Schwerter wurden von Panzerhandschuhen gehoben, Streitkolben, Kriegshämmer und Streitäxte geschwungen. Kniegelenke drehten sich,
als eine Rüstung ihre ersten schaudernden Schritte machte. Kettenhemden klirrten gegen Beinschienen.
Die Magie in der Luft war beinahe sichtbar. Sie kribbelte um Karigans Brosche, und in ihrem Arm wand sich die wilde Magie ruhelos, wand sich bis zu ihrem Handgelenk wie eine Schlange.
Die schwarze Rüstung näherte sich klappernd, die Hellebarde zum Schlag erhoben. Karigan eilte davon, aber nun musste sie auch all den anderen Rüstungen ausweichen, die zum Leben erwacht waren. Sie schienen darauf aus zu sein, Karigan zu umzingeln, und sie wusste, sie musste fliehen, oder sie würde getötet werden.
Sie rannte zu einer Lücke zwischen zwei Rüstungen und betete, dass sie schnell genug war. Im letzten Augenblick huschte sie zwischen den beiden hindurch und ließ sie hinter sich.
Ein Blick über die Schulter zeigte ihr, dass eine der Rüstungen quälend langsam auf ihr Entkommen reagierte. Sie drehte sich um, holte mit ihrem Streitkolben nach einer anderen Rüstung aus und schlug sie mit einem lauten Scheppern nieder.
Karigan zögerte nicht länger und eilte die Treppe zum Erdgeschoss hinunter, wo sie vielleicht Hilfe mit den zum Leben erwachten Rüstungen bekommen würde, aber als sie
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