Die Botin des Koenigs reiter2
und lächelte bei dem Gedanken, dass sie beinahe in ein geheimes, verbotenes Stelldichein geplatzt wäre. Als sie Schritte auf dem Kiesweg hinter sich hörte, hielt sie inne und tat so, als schnuppere sie intensiv an einer Rose. Sie wandte sich um und sah eine Frau im Bäckerkittel, die den Weg entlang auf sie zueilte. Als die Frau Karigan entdeckte, riss sie die Augen auf, drehte sich auf dem Absatz um und eilte in eine andere Richtung davon. Offensichtlich wollte sie nicht mit ihrem Geliebten entdeckt werden und hatte nicht erwartet, dass jemand sehen würde, wie sie davonging. Wer war ihr geheimnisvoller Freund? Ein Höfling, der Angst hatte, sich offen mit seiner bürgerlichen Geliebten zu treffen?
Karigan blieb bei den Rosen stehen und hoffte, es in Kürze herausfinden zu können. Dabei malte sie sich bereits eine tragische verbotene Liebesaffäre aus.
Einen Augenblick später kam ein Mann mit zottigem Bart, muskulösen Armen und Rußflecken auf den Wangen aus der Nische und ging den gleichen Weg entlang, den die Bäckerin genommen hatte. Nein, das war kein Adliger, sondern einer der Burgschmiede.
Karigan war irgendwie enttäuscht, dass er kein Prinz im Exil oder verarmter Adliger war. Seufzend richtete sie sich auf und ging auf die Nische zu. Jetzt, da sie frei war, konnte sie sich dort hineinsetzen.
Ihre langen Schritte ließen sie mit einem Mann zusammenstoßen, der unerwarteterweise aus dem Gebüsch herauskam. Die Papiere, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, flogen hoch in die Luft, und er und Karigan landeten auf dem Hinterteil.
Karigan schüttelte den Kopf und spürte, wie sehr ihr alles wehtat. Der Mann war bereits wieder auf den Knien und grabschte nach seinen Papieren, die um ihn herum niederflatterten.
Karigan setzte dazu an, ihm zu helfen. »Es tut mir leid.«
»Leid? Das hier sind wichtige Papiere!« Er starrte sie durch eine Brille an, die ihm schief im Gesicht hing.
»Ich sagte ja schon, dass es mir leid tut.« Sie beugte sich vor, um nach einem Blatt zu greifen, und er tat das Gleiche. »Au!«
»Bleibt mir einfach aus dem Weg.« Er riss ihr die Papiere, die sie aufgesammelt hatte, aus der Hand, stand hastig auf, sodass die Schlüssel an seinem Gürtel klingelten, und eilte den Weg entlang davon.
Als Karigan sich den schmerzenden Kopf rieb, begriff sie, dass ihre Hände vollkommen leer waren.
»Wartet!«, rief sie. Sie sprang auf und rannte hinter dem Mann her, packte ihn am Ärmel.
Er starrte sie mürrisch an. »Was ist denn jetzt noch? Ihr habt mich schon genug aufgehalten.«
Karigan holte tief Luft und strengte sich an, höflich zu bleiben. »Ich glaube, Ihr habt die Briefe mitgenommen, die mir gehören.«
Der Mann schnaubte gereizt und suchte in seinen Papieren herum. Als er die Briefe fand und ihren Namen darauf sah, schaute er sie an, und etwas Seltsames blitzte in seinen Augen auf. Dann warf er ihr die Briefe zu und eilte weiter.
Karigan starrte ihm ungläubig hinterher. Sie wäre ihm beinahe gefolgt und hätte ihm die Meinung gesagt, aber dann überlegte sie es sich anders. Sie sagte sich, dass er einfach zu unwichtig war und sie nichts erreichen würde, wenn sie einen Streit mit ihm begann.
»Mieser Kerl«, murmelte sie.
Sie eilte in die schattige Nische und fand sie leer. Spatzen planschten in einem Vogelbad, aber sonst war es still hier. Der vor Kurzem gerechte Kiespfad war von den Schritten mehrerer Personen aufgewühlt.
»Ich denke, ich habe mich geirrt, was die verbotene Romanze anging«, sagte sie sich. Was immer den Schmied, die Bäckerin und den Schreiber zusammengebracht hatte, wollte sie lieber nicht wissen.
Sie setzte sich auf eine Steinbank und seufzte, schloss die Augen ein wenig und lauschte dem Gluckern der Quelle, die in der Nähe entsprang. Wasser rieselte über moosige Steine und sammelte sich in einem Becken, bevor es weiter zum Forellenteich lief. Das Geräusch beruhigte sie. Es hieß, der erste Großkönig von Sacoridien, Jonaeus, hätte die Burg wegen der Quelle an ebendieser Stelle errichten lassen. Zur Erinnerung an ihn wurde sie »Jonaeusquelle« genannt. Es hieß, wer aus ihr trinke, erhalte die Weisheit, die eines Königs würdig sei.
Karigan hatte schon öfter davon getrunken; das Wasser war an einem heißen Tag angenehm kühl, aber ansonsten hatte sie weiter nichts bemerkt. Sie war hinterher nicht weiser gewesen als zuvor. Nur Erfahrung, hatte sie inzwischen gelernt, führte zu Weisheit.
Schließlich brach sie das Siegel des ersten
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