Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Isabella schlüpfte in den Konvent und lehnte den Türflügel nur an. Diesmal wollte sie gerüstet sein, wenn der Unbekannte hinter ihr her war. Außerdem war sie allein. Draußen wartete kein Marcello, der sie in die Arme nehmen und retten konnte.
    Es war leichter gewesen als gedacht, Signora Artella zu entwischen. Sie waren in den ersten Stock hinaufgestiegen, Anna und sie, und plötzlich hatte die Tür zum Gästetrakt offen gestanden, weil geputzt worden war. Während Anna sich um die kleine Francesca kümmerte, war Isabella in den Gang gehuscht und hatte sich davongemacht: den Gang entlang, die Treppen hinab und durch die Tür des Gasthofs hinaus auf die Straße. Wie ein Wiesel war sie die Gasse entlanggelaufen und hatte sich am Rio di Fava eine Gondel genommen, die sie bei San Lorenzo abgesetzt hatte. Der Gondoliere hatte die vorgebliche Nonne kostenlos befördert, als Beitrag zu seinem christlichen Tagwerk, jedoch darauf geachtet, sie am Kloster abzuliefern und nicht über die Lagune zu rudern. Niemand war ihr gefolgt, so viel war sicher.
    Isabella musste lächeln, als sie an den jungen Burschen dachte,der sie hierhergerudert hatte und die ganze Zeit über seinen Blick nicht von ihr hatte lassen können. Sie atmete tief ein und zog die Tür hinter sich fast zu. Jetzt stand sie in der Dunkelheit des Vorratsraums. Die Schwärze vor den Augen schärfte ihre Ohren. Überall huschte und fiepte es. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, ein Eindringling zu sein. Menschen, das begriff sie langsam, waren überall Eindringlinge und deshalb überall Fremde. Wo gehörten sie hin, diese Wesen auf zwei Beinen? Sie rannten nicht schnell, sie hörten relativ schlecht, konnten im Dunkeln nicht sehen, waren außerdem mäßige Schwimmer und besaßen keinerlei Gewalt über die Lüfte. Ein dürftiges Geschöpf, dieser Mensch. Und doch baute der Mensch Häuser und Brücken, überquerte auf Schiffen das Wasser und schrieb sein Leben nieder. Er konnte sich mit seinen Mitmenschen verständigen, er konnte sich die Erde zu Willen machen, er konnte ... so vieles, was die Natur nur ihm zugestand. Keinem der Tiere. Also doch keine unvollkommene Gestalt, sondern etwas Besonderes auf diesem Erdenrund. Denken konnte es ebenso. Nachdenken. Pläne schmieden. Gedachtes verwirklichen – und glauben. An Gott glauben, an sich selbst glauben, an andere glauben. Das hatte sie noch bei keinem anderen Lebewesen beobachtet.
    Wieder holte sie tief Atem. Sie musste jetzt daran glauben, dass ihr Plan umgesetzt werden konnte. Sie löste sich von der Mauer, an die sie sich gedrückt hatte, und trat in den Vorratsraum hinein, durchquerte ihn mit von sich gestreckten Händen, damit sie nirgends anstieß. Je weiter sie kam, desto heller wurde es, und desto schneller kam sie voran. Niemand befand sich im Gewölbe, nur die Mäuse und das Getier, das sich sonst ohnehin hier aufhielt, um sich seinen Anteil am Reichtum des Klosters zu holen. Isabella entspannte sich.
    »Ich wusste, Ihr würdet kommen.«
    Aus dem Halbdunkel heraus vertrat ihr eine Gestalt den Weg.
Sie schien sich aus einer der Säulen zu lösen, die das Gewölbehielten. Isabella sprang ihr Herz regelrecht bis in den Hals hinauf, so sehr packte sie das Entsetzen. Es war zu spät, davonzulaufen. Der Unbekannte war ihr zu nahe.
    »Was wollt Ihr?«, stieß sie hervor.
    »Mit Euch reden«, sagte die Person, und Isabella, die zuvor nicht auf die Stimme geachtet hatte, stellte fest, dass es sich um eine Frau handelte. Im Gewölberund des Vorratsraumes hatte die Stimme dunkler geklungen.
    »Julia? Julia Contarini?«, entfuhr es ihr.
    »Dieselbe«, bestätigte die Stimme vor ihr. Isabella kniff die Augen zusammen, weil sie es zuerst nicht recht glauben konnte. Doch dann schälte sich das blasse Antlitz der Novizin aus dem Dämmerlicht.
    »Lasst uns irgendwohin gehen, wo wir in Ruhe sprechen können«, schlug Isabella vor, die ein Glühen auf ihren Wangen spürte, das ihrer Aufregung zuzuschreiben war.
    »Wir bleiben hier«, bestimmte die Contarini-Tochter. »Man hat den Leichnam Eurer Tante nach Torcello gebracht!«, ergänzte sie beiläufig. »Wenn Euch das interessiert.«
    »Nach Torcello? Warum?« Isabella war bestürzt. »Woher weißt du das?« Das bedeutete, dass sie keinerlei Beweise für den gewaltsamen Tod der Tante mehr würde erbringen können. »Dort werden die Custodes Dominae bestattet.« Julia Contarini wartete, bis Isabella auf das reagierte, was sie da gesagt hatte. »Warum habt

Weitere Kostenlose Bücher