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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Das, was ihr bekannt war, reichte nicht aus, das Geheimnis zu lüften.
    Also begann sie zu berichten und beobachtete dabei das Mädchen, das einen Punkt im Gewölbe zu fixieren schien. Nur die Rötung ihrer sonst blassen Haut deutete darauf hin, dass Julia verstand, was Isabella ihr da berichtete. Erst als sie bei der Kreuzform angekommen war, die alle vier Hinweise offenbar bildeten, zuckte es in ihrem Gesicht.
    »Ich muss allerdings nachprüfen, ob Suor Anna mit dieser Vermutung richtig liegt – und zwar bevor Signora Artella wieder zurück im Kloster ist. Mehr kann ich dir nicht sagen, mehr weiß ich selber nicht«, beendete sie ihre Ausführungen.
    Julia Contarinis Stimme wirkte ausdruckslos und gepresst, als müsse sie sich dazu zwingen, ruhig zu reden.
    »Man verbirgt Dinge, um sie zum rechten Zeitpunkt öffentlich zu machen, hat Suor Francesca behauptet. Nicht immer ist die Wahrheit geeignet, sofort verkündet zu werden. Die Menschen sind womöglich nicht reif dafür, es ist der falsche Augenblick, es fehlt an Verständnis. Es gibt unendlich viele Gründe dafür, etwas geheim zu halten. Doch dann kommt der Moment, an dem die Wahrheit auf fruchtbaren Boden fällt, Wurzeln zieht und ans Licht drängt.«
    Julia Contarini wandte sich zu Isabella um, die ihr stumm und mit immer größerer Unruhe gelauscht hatte. »Eure Tante hat mich das gelehrt. Jetzt ist die Stunde gekommen. Jetzt fällt die Wahrheit auf fetten Boden. Deshalb haben sie danach gesucht.« Isabella musste schlucken. Die Novizin hatte ihrer Tante nähergestanden, als sie vermutet hatte.
    Julia war nur wenig jünger als sie selbst. »Ich weiß noch nicht einmal, wonach ich suchen soll. Signora Artella hat mir den Schlüssel abgenommen. Ich bin verfolgt worden.«
    Julia war aufgestanden. Sie drehte ihr den Rücken zu. »Suor Ab-
lata hat einen Schlüssel. Hol ihn dir, und ... und was den dunklenMann betrifft ...«. Sie unterbrach sich, musste sich offenbar sammeln. »Er kommt durch die zweite Pforte im Klostergarten herein.«
    »Du hast ihn gesehen?« Isabella riss Julia regelrecht zu sich herum. »Kennst du ihn? Wer ist es?« Sie schüttelte das Mädchen.
    Julia sah Isabella aus großen Augen an, und diese sah das aufkeimende Flackern darin. Unmerklich zuerst, dann immer deutlicher. Die Augenlider zuckten, der Blick wurde starr, die Lippen flatterten, Arme und Beine wurden steif. Julia bekam einen Anfall. In einem Kübel neben der Bank steckte ein halbes Dutzend Holzlöffel, die zur Krautzubereitung verwendet wurden. Rasch griff sich Isabella einen und zwängte ihn Julia zwischen die Zähne. Mittlerweile hatte der Krampf den Oberkörper ergriffen. Isabella erhob sich, umschlang den Körper des Mädchens, der jetzt den Boden unter den Füßen verlor, weil die Beine weg-knickten, mit beiden Armen und bettete den Körper auf den kalten Lehm. Mehr würde sie für das Mädchen nicht tun können. Sie überlegte lange, ob sie bei Julia bleiben sollte. Doch was Julia vom richtigen Zeitpunkt erzählt hatte, zu dem ein Geheimnis gelüftet werden sollte, hatte ihr die Dringlichkeit ihres Unterfangens vor Augen gerufen. Als sich die Zuckungen beruhigt hatten und Julia wieder normal zu atmen begann, erhob Isabella sich und ließ das Mädchen allein.
    Sie schlüpfte in den Kreuzgang und wollte diesen durchqueren, als sie der Äbtissin direkt in die Arme lief.
    Erschrecken durchzuckte Isabella, denn eigentlich dürfte sie ja gar nicht hier sein. Die Äbtissin wähnte sie in der Osteria, oder wusste die ehrwürdige Mutter gar nichts von ihrer Abwesenheit? Ihre überstürzte Abreise war auf Betreiben Signora Artellas erfolgt, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Äbtissin über irgendetwas nicht informiert war, das sich in ihrem Konvent zutrug.
    Suor Immacolata ließ sich nicht anmerken, was sich hinterihrer Stirn abspielte. »Signora Artella hat mir von deinem Entschluss und von dem deines Vaters berichtet«, sagte sie mit zusammengepressten Lippen.
    »Er nimmt mich aus dem Konvent?« Isabellas Herz schlug höher, doch die Miene der Äbtissin blieb unergründlich.
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Isabella zuckte zusammen. Was bedeutete das? Hatte ihr Vater gar nicht zugestimmt? Wollte er sie gar nicht aus dem Kloster herausholen? Sie hatte von Frauen gehört, die ihrer Unbotmäßigkeit wegen in kleinere Klöster auf das Festland gebracht worden waren, weitab jeder Möglichkeit, wieder zurück in die Welt zu finden. In ihrem Kopf selbst zuckte wie ein

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