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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ihr mich nicht mit nach draußen genommen? Ihr hattet es mir versprochen!«
    Isabella wusste nicht, was sie zuerst antworten, worauf sie reagieren sollte. Das Mädchen sprang von einer Ungeheuerlichkeit zur anderen.
    »Signora Artella hat mich aus dem Kloster geschickt. Wie hätte ich Euch mitnehmen sollen?«
    »Seid Ihr meinetwegen zurückgekommen?« Julia fasste sie am
Ärmel ihres Habits. Das Mädchen, das jetzt ganz aus dem Halb-
dunkel trat, trug eine weiße Binde um den Kopf. Beim letztenAnfall hatte es sich offenbar schwerer verletzt, als zuerst angenommen worden war.
    Isabella musste schlucken, bevor sie antworten konnte. Es tat ihr so leid, dem Mädchen die Wahrheit sagen zu müssen.
    »Ich bin meinetwegen gekommen, Julia. Für dich wird es keinen Weg aus diesem Kloster hinaus geben. Du weißt es.« Isabella flüsterte, in der Hoffnung, die Novizin würde nicht verstehen, was sie sagte.
    »Meine Mutter litt ebenfalls an der Fallsucht und schenkte vier Kindern das Leben«, zischte sie.
    Damit hatte sie ihr den Wind aus den Segeln genommen. Isabella überlegte kurz, dann nickte sie und nahm Julias freie Hand. »Setzen wir uns!«, sagte sie nur. So viel Zeit musste sie erübrigen können, auch wenn sie ihr unter den Nägeln brannte. Sie durfte Signora Artella nicht zu viel Vorsprung lassen, wenn sie noch ans Ziel kommen wollte. Sicherlich suchte die Priorin nach ihr. Und wohin sich Isabella begeben würde, war für Signora Artella unschwer zu erraten.
    Sie führte Julia in den nächsten Raum, den sie kannte, weil dort die Krautfässer lagerten. Ganz in deren Nähe hatte sie das letzte Mal eine Bank bemerkt. Auch Julia schien diese zu kennen, denn sie steuerte ebenfalls zielstrebig darauf zu. Das Gewölbe war unverputzt und stammte aus den Anfangszeiten des Klosters. Der Boden war aus Lehm, was die Kühle und feuchte Luft erklärte.
    »Habt Ihr gefunden, wonach Ihr gesucht habt?«, überfiel Julia Contarini sie, gleich nachdem sie sich gesetzt hatten.
    »Wie meint Ihr das?« Isabella musste erneut schlucken. So schnell hatte sie nicht erwartet, dass Julia auf die Entdeckungen ihrer Tante zu sprechen kommen würde.
    »Eure Tante hat mir gesagt, es gäbe zwei Gründe dafür, Dinge vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen. Einmal, um den Menschen Wissen vorzuenthalten. Wissen ist Macht, und diese Macht, solange sie nicht ausgesprochen wird, kann dieMenschen lenken und leiten. Dieser Doktor Luther hat die Bibel deshalb in die Sprache seiner Heimat übertragen, damit die Menschen dort Gottes Wort selbst lesen und seine Wahrheit überprüfen können. Sie sind nicht mehr auf den Priester angewiesen. Verbirg etwas, und du kannst die Wahrheit gestalten. Plötzlich sehen die Menschen, dass Christus nicht Tod und Verderben für die Ungläubigen gepredigt hat, nicht Ausgrenzung und Armut, sondern Nächstenliebe und Menschlichkeit.« Julia Contarini sprach in den Raum hinein. Ihre Stimme klang dabei ein wenig hohl, und Isabella lief es eiskalt den Rücken hinab, denn es war ihr, als würden die Mauern sprechen und ihr über Jahrhunderte gehortetes Wissen preisgeben. »Der zweite Grund ist ein ebenso einfacher ... «, fuhr sie fort und hielt dann inne. Langsam drehte sie sich Isabella zu, die neben ihr Platz genommen hatte.
    »Hat Euch ... hat das meine Tante so gesagt?«, drängte Isabella. Sie wollte es nicht neugierig klingen lassen, doch sie konnte nicht vermeiden, dass es genau danach klang.
    Die Contarini-Tochter ließ die Sekunden verstreichen, ohne auch nur ein weiteres Wort über die Lippen zu bringen.
    »Was hat Tante Francesca gesagt?«, drängte Isabella ungeduldig und wusste sofort, dass sie verloren hatte. Julia hatte genau das von ihr zu hören bekommen, was sie gewollt hatte.
    »Ich habe Euch etwas von dem erzählt, was Eure Tante mir gesagt hat. Jetzt seid Ihr an der Reihe, Isabella. Was habt Ihr herausgefunden?«
    Verblüfft sah Isabella in das entschlossene Gesicht der Novizin, das durch den Verband eine ungewohnte Strenge erlangt hatte. Wenn sie auch nur ein weiteres Wort aus ihr herausbringen wollte, würde Isabella nichts anderes übrig bleiben, als sie einzuweihen. Rasch überlegte sie, was sie erzählen durfte und was nicht. Doch dann entschied sie sich dafür, alles offenzulegen. Warum sollte sie etwas verheimlichen? Julia litt unter ihrem Eingesperrtsein. Die Krankheit machte sie zu einer Außenseiterinauch unter den Ordensfrauen. Sie würde ihr Wissen niemandem preisgeben – und wenn auch.

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