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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Lichtblitz der Name Torcello auf. Dort würde sie lebendig begraben werden. »Ich bedaure es einerseits zutiefst, mein Kind«, antwortete die Äbtissin. Sie packte Isabella am Arm und zog sie mit sich. »Andererseits kann ich es nicht dulden, dass ein gottloses Geschöpf wie du sich weiter hier im Konvent umtreibt und den anderen Frauen und Mädchen seinen unchristlichen Odem einbläst. Du wirst sofort packen und dieses Haus verlassen.« Mit einer Kraft, die Isabella so nicht erwartet hatte, schleppte die Äbtissin sie vorwärts und brachte sie ohne Umwege zu ihrer Zelle.
    »Du wirst diese Zelle bis zur Vesper nicht wieder verlassen. Dann werde ich dich abholen!«, fauchte die Äbtissin. Isabella sah das Glimmen in ihren Augen, den nur mühsam unterdrückten Zorn, der in ihr loderte. »Nütz die Zeit, deine Sachen zusammenzuklauben – und um zu beten, wenn es denn noch zu etwas nütze ist.«
    Tränen der Wut traten Isabella in die Augen. Sie würde niemals erfahren, welche Bedeutung das vierte Symbol besaß. Außerdem fühlte sie sich vom eigenen Vater verraten. Er konnte doch nicht zulassen, dass sie in Torcello oder sonst wo ihre Jugend vergeudete und langsam verfaulte! Oder etwa doch?

KAPITEL 38 Padre Antonio wanderte mit der Karte in der Hand durch das Kloster. Dabei versuchte er festzustellen, welche Gebäude nachträglich hinzugebaut worden waren und welche zum Grundbestand der Klostergründung gehörten. Die Karte zeigte auf freiem Feld zwei einzeln stehende Gebäude. Eines war um den Kreuzgang herum gebaut, das andere enthielt eine alte Kapelle. Weder die Kirche noch der Cimitero hatten damals schon existiert. Ausgedehnte Ackerflächen umgaben das Kloster, das im nördlichen Bereich einer kleinen Insel Platz gefunden hatte. Gewundene Brackwasserarme schlossen sie ein. Dort, wo heute befestigte Kanalmauern das Wasser in geregelte Bahnen zwangen, hatte der Zeichner des alten Plans breite Schilfgürtel eingetragen. Wenn man sich bewusst machte, wie Fenster und Durchgänge lagen, konnte man nachvollziehen, warum der Zugang zum Nonnenchor heute ein Geheimgang war. Während man anfänglich Chor und Kirche nur als Anbau angelegt hatte, erforderte die wachsende Bedeutung des Ordens einen repräsentativen Zugang, der den alten überflüssig machte. Purer Geldmangel mochte aus einem Provisorium im Laufe der Jahre einen Geheimgang gemacht haben. Wenn er nur einen Anhaltspunkt hätte, wenn er nur wüsste, wo er zu suchen beginnen sollte. Als Frauenkloster unterhielt der Konvent weder ein Skriptorium noch eine umfangreichere Bibliothek. Die wenigen Bücher, die für die Allgemeinheit zugänglich waren, besaßen erbaulichen Charakter und bestanden aus Heiligenlegenden und Homilien. Eine Lektüre, die einen empfindsamen Geist wie den der Chornonnen und Conversas nicht weiter belastete und die, wie er sehr wohl wusste, sterbenslangweilig war. Allenfalls privat besaßen die Frauen Bücher. Doch das sollte sich ändern. Der Patriarch hatte heute nach der Morgenmesse den Befehl ausgegeben, dass die Nonnen alle privaten Bücher abzuliefern hätten. Seine Untersuchungen hätten einen schädlichen Einfluss auf die Frauen ergeben. Dem wolle er vorbauen.
    Padre Antonio hatte dieses Gebot zum Anlass genommen, die Zellen zu durchsuchen. Dies hatte ihm die Möglichkeit eröffnet, frei auf dem Gelände umherzustreifen, und den Vorwand, den er brauchte, um zu überprüfen, inwiefern der alte Klosterplan mit dem derzeitigen Gebäudebestand übereinstimmte. Einmal war er bei dieser Suche auf Julia Contarini gestoßen, die aus einem Fenster im Obergeschoss in den Pflanzgarten hinuntersah und dabei unablässig ihren Wappenring drehte. Die Novizin nahm von ihm keinerlei Notiz, sodass er sie auch nicht ansprach. Im Augenblick hatte er Wichtigeres zu tun. Nur das Bild des sich ständig um und um drehenden Rings ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Drei schwarze Balken auf goldenem Grund. Sollte ihm dieses Wappen etwas sagen?
    Als letzte Zellenflucht hatte er sich den Gang ausgewählt, in dem Suor Marias Zelle lag. Akribisch nahm er jeden Winkel der Zelle in Augenschein, durchsuchte die Wände nach losen Steinen bzw. Holzpaneelen, hinter denen Vertrauliches hätte verborgen werden können. Die Zelle der Nonne war jedoch eigentümlicherweise leer, so als hätte bereits ein anderer sie durchsucht. Selbst in dem Hohlraum zwischen dem letzten Holzbrett am Kopfende der Holzpritsche und der Wand, in dem man durchaus Privates hätte ablegen können,

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