Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sie schnell. Ihr Weinen hatte ein leichtes Aufstoßen hinterlassen, das sie tapfer niederkämpfte. »Ich gehe nicht freiwillig – und ich werde nicht heiraten. Ich fürchte, man wird mich nach Torcello bringen oder in ein anderes, abgelegenes Kloster. Man zwingt mich, das Kloster zu verlassen, weil ich auf etwas gestoßen bin ... «, sie fuhr sich mit der Hand an den Mund, dann winkte sie ihm zu, er solle sich zu ihr herabbeugen, »... was den Tod der beiden Nonnen erklären könnte.«
    Der Pater, nun doch neugierig geworden, setzte sich neben sie, und Isabella erzählte ihm in raschen, mehr geflüsterten als gesprochenen Worten, was sie wusste. Er erfuhr vom Schlüssel und dessen Inschrift, von der Neumenhandschrift, von den Initialen und den gegenständlichen Hinweisen im Kloster: der Säule mit dem Araber, der sich versteckte, dem Epitaph mit dem schreibenden und lehrenden Mönch im Refektorium und dem Marienbild. Sie erzählte ihm auch von der Kreuzform, die Suor Anna ihr in der Gastwirtschaft aufgezeichnet hatte. Isabella, die trotz des schwachen Lichts sichtbare rote Flecken am Hals und im Gesicht bekommen hatte, legte den Klosterplan auf ihren Schoß und deutete auf die Stellen.
    »Hier der Kreuzgang mit der verborgenen Figur, dort oben das Refektorium mit dem Epitaph, unten das Marienbild. Alle drei Figuren bzw. das Bild sind damals bereits vorhanden gewesen. Es fehlt noch das vierte Element. Es müsste ... « Isabella stockte und sah auf. Padre Antonio bemerkte, wie sehr sie über diese Erkenntnis in Aufruhr geriet. »... es müsste im zweiten Hof liegen. Irgendwo dort!« Sie deutete mit dem Finger auf den Plan und blickte ihm danach direkt in die Augen. »Was immer in diesen Mauern verborgen worden ist, es muss wertvoll sein, wenn man sich solche Mühe gegeben hat.«
    Padre Antonio nickte ehrlich verblüfft. »Es ist wertvoll. Viel
wertvoller, als Ihr Euch denken könnt. Woher ... woher wisstIhr das alles? Als hättet Ihr Euch seit Jahren mit diesen Dingen beschäftigt.« Er stand auf und ging in der Zelle auf und ab, dabei schüttelte er unaufhörlich den Kopf, weil er nicht glauben konnte, dass die Educanda vor ihm über solches Wissen verfügte. »Wer hat Euch eingeweiht?«
    Isabella verzog schmollend den Mund. »Ich habe mich selbst eingeweiht. Schließlich verfügen wir Frauen ebenso über Verstand wie die Männer. Auch wenn diese es nicht immer wahrhaben wollen. Immerhin ist es einem Frauenorden über Jahrhunderte hin gelungen, etwas vor den Männern zu verbergen. Ist das Beweis genug für Euch?«
    Padre Antonio musste lächeln. Diese Educanda hatte ein scharfes Mundwerk und einen ebenso scharfen Verstand.
    »Die Custodes Domini «, murmelte er vor sich hin. Dann stand er ruckartig auf und wandte sich ihr zu. »Wann holen sie Euch ab?«
    »Mit der Vesper werde ich das Kloster verlassen. Signora Artella ist zu meinem Vater unterwegs, um ihn zu überreden, mich aus dem Konvent zu nehmen«, sagte Isabella leise.
    »Und wenn er sich weigert?« Padre Antonio hatte nicht die erste Frau vor sich, die von einer Familie nicht mehr zurückgenommen wurde. Statt einer Mitgift und der Heirat erwartete diese Unglücklichen zumeist ein anderer Konvent: weiter im Landesinneren, abseits der großen Städte und möglichst unzugänglich gelegen, sodass eine Flucht von vornherein unmöglich ist.
    Der Pater berührte sie an der Schulter, und sie blickte ihn an. Er wusste nicht, was sie von ihm erwartete, denn in ihren Augen entdeckte er eine Mischung aus Hoffnung und Resignation. Doch was er von ihr wollte, das wusste er sehr wohl.
    »Kommt mit in den zweiten Innenhof. Vielleicht benötigen wir die Neumenhandschrift gar nicht, weil uns der vierte Hinweis ins Auge springt, wie bei der Madonna und dem Turbanträger.«
    Ihr Gesicht erhellte sich. Sie stand auf. »Dann lasst uns keineZeit vergeuden! Meine Truhe ist gepackt.« Sie warf den Deckel zu und schloss ab. Dann gab sie dem Pater die Karte zurück. »Gehen wir!«
    Padre Antonio verließ die Zelle vor ihr, weil er sich vergewissern wollte, dass niemand auf dem Gang stand. Erst als er sicher war, dass sie alleine waren, winkte er Isabella. »Folgt mir«, sagte er nur. »Da ich vermutlich in den letzten Tagen die Gänge genauer durchstreift habe als Ihr, könnt Ihr Euch meiner Führung anvertrauen.«
    Er ging den Gang entlang, bog um die Ecke, lief die Treppe hinab, querte den Kreuzgang, wobei er einen prüfenden Blick auf den sich versteckenden Turbanträger warf, dann

Weitere Kostenlose Bücher