Die Botschaft Der Novizin
fand sich nichts.
Padre Antonio richtete sich auf und wollte eben den Raum verlassen, als ihn ein Schluchzen innehalten ließ. Erstaunt horchte er auf. Es schien aus der Zelle nebenan zu kommen. Rasch schlüpfte er aus dem Raum und klopfte nebenan. Sofort verstummte das Weinen. Jemand schnäuzte sich, dann wurde ein leises »Ja?« gerufen.
Die Stimme hätte er unter Hunderten ähnlichen Stimmen heraushören können.
»Isabella!«, sagte er, noch während er eintrat und ohne die Frau gesehen zu haben. »Warum weint Ihr?«
Tatsächlich saß Isabella auf ihrer Bettstatt und starrte ihn erschrockenan. In ihren Augen standen Tränen. Sie glitzerten im schwachen Schein der Öllampe, die in der Nische vor sich hin flackerte.
»Was wollt Ihr von mir?«, entgegnete Isabella schroff. Doch das Zittern in ihrer Stimme konnte sie nicht verbergen. Vor ihr stand die Truhe, die jede Nonne in ihrer Zelle hatte. In ihr wurden die persönlichen Dinge aufbewahrt. Sie war geöffnet, und alles, was sonst in der Zelle herumlag, war fein säuberlich darin eingeräumt worden.
Der Geistliche ließ den Blick zwischen der Truhe und Isabellas Gesicht hin und her pendeln.
»Ihr wart so plötzlich weg. Ich habe Euch gesucht!«, gestand er. Die offensichtliche Trauer der jungen Frau verstörte ihn. Bislang hatte er nur mit beschädigten Büchern zu tun gehabt, nicht mit den beschädigten Seelen von Menschen und schon gar nicht mit denen von Frauen. »Wenn Ihr mir etwas erzählen wollt. Ich ... ich höre ... Euch zu«, stotterte er. »Ihr reist ab? Wohin?«
Isabella lächelte ihn an, doch wirklich tröstend schienen seine Worte nicht gewesen zu sein, denn zwei große Tränen rannen über ihre Wangen und förderten einen tiefen Schluchzer zutage.
Padre Antonio wollte helfen, wollte ein wenig den Schmerz dieser jungen Frau lindern und verwünschte für einen kurzen Moment seinen geistlichen Stand, der ihn so unbeholfen machte. Wäre er einer der venezianischen Galans, einer dieser jugendlichen Halbstarken der Inselrepublik gewesen, dann hätte er gewusst, was zu tun wäre, dann hätte er Worte gefunden und Gesten. So hatte er sich nur darin geübt, den Staub von Buchrücken zu blasen.
Linkisch suchte er in den Innentaschen seiner Soutane ein Schnupftuch, das er anbieten konnte. Er kramte herum, und das Einzige, was er ungeschickterweise hervorzog, war die Karte. Sie raschelte zu Boden und faltete sich dabei halb auf.
Isabella, die ihm lächelnd und weinend zugesehen hatte, wieman auf dem Jahrmarkt einem Narren zusieht, den man bedauert und an dem man sich gleichzeitig erfreut, wurde blass, als sie die Karte sah.
»Was habt Ihr da?«, fragte sie. Man hörte ihr an, wie sie mit der Fassung rang und ihr Schluchzen niederzwang.
»Eine Karte«, antwortete Padre Antonio beiläufig und wollte sich bücken, um das Papier aufzuheben. Doch Isabella war schneller. Sie riss den Plan geradezu an sich.
»Das ist ein Grundriss«, flüsterte sie und faltete das Blatt ganz auf. »Für ein Kloster!« Sie biss sich auf die Lippen und wischte mit einer energischen Geste die Tränen fort, damit sie besser sehen konnte. Seinem Versuch, nach dem Blatt zu greifen, widersetzte sie sich, indem sie ihm die Schulter zuwandte. »Das ist San Lorenzo, nicht wahr?« Als sie ihn anblickte, schwammen ihre Augen erneut in Tränen.
»Ja, es ist dieses Kloster hier. Aber das ist noch lange kein Grund zu weinen!«, resignierte er. »Oder .. weint Ihr womöglich meinetwegen?« Er hob beide Augenbrauen.
Jetzt musste sie doch lachen. »Euretwegen? Nein.« Sie lachte und schniefte gleichzeitig. »Ich werde .. das Kloster .. verlassen!« Die letzten Worte kamen so zögerlich und stockend, als teile sie ihm mit, sie werde im Morgengrauen gehängt werden. »Auch kein Grund, den Mut zu verlieren. Ihr seid nicht die Erste, der das widerfährt .. ich meine .. geheiratet zu werden.« Zwar spürte der Pater selbst, dass diese Reaktion nicht gerade feinfühlig gewesen war, doch ihm fiel im Augenblick nichts Besseres ein.
Trotz aller Unbeholfenheit war er kein Mensch, der die Reaktionen seiner Umwelt nicht mehr wahrnahm. Der Atem der Educanda hatte sich beschleunigt, als errege sie etwas. Verblüfft sah sie ihn an.
»Warum glaubt Ihr, ich .. ich werde heiraten?«, stotterte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Warum solltet Ihr sonst das Kloster verlassen? Ihr seid keineNonne. Ihr habt keine Profess abgelegt. Ihr werdet doch heiraten?«
»Padre Antonio«, sagte
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