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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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sagte sie und streckte sich.
    Isabella musste grinsen. Sie schätzte Suor Ablata auf über achtzig. Dafür war die Greisin allerdings erstaunlich rüstig und selbst in diesem Alter nicht frei von einer gewissen Eitelkeit. Sie zogen die Tür auf und betraten den Nonnenchor. Nichts hatte sich verändert. Alles war so, wie sie es hinterlassen hatte, als sie dem Pater hier im Raum begegnet war. Sofort fiel ihr das Bild mit der Kirche und dem Spruchband mit dem Kürzel cust dom wieder auf. Sie erinnerte sich an die Worte, die PadreAntonio in der Zelle gemurmelt hatte. Was wusste er darüber? Sie würde den Pater fragen müssen, was dies zu bedeuten hatte, auch wenn sie es nach der Erklärung Signora Artellas bereits zu wissen glaubte.
    Ihre Überlegungen wurden jäh unterbrochen. Suor Ablata zupfte unaufhörlich an ihrem Ärmel.
    »Was habt Ihr, Schwester?« Isabella sah die Alte neben sich, blass wie die gekalkten Wände der Klostergänge. »Was ist mit Euch. Geht es Euch nicht gut?«
    Die Chornonne versuchte zu sprechen, doch nur Unverständliches kam aus ihrem Mund. Mit ihrem freien Arm, der zitternd hin und her schwang, versuchte sie in eine Richtung zu deuten, und endlich folgte ihm auch Isabellas Blick. Die Luft im Raum schien sich einige Grade abzukühlen, als Isabella entdeckte, was die Alte verstörte. Auch ihr fuhr der Schreck in die Glieder, und sie schnappte mehrmals nach Luft. Wo sich das reich geschnitzte Gestühl an den Seitenwänden des Nonnenchors entlangzog, erhob sich das Lesepult für die Neumenhandschrift. Doch das Chorbuch, das sonst gewichtig und raumfüllend dort lag, war verschwunden.
    »Aber ...«, stotterte Isabella, »wo ist das Buch geblieben?« In diesem Augenblick spürte sie, wie der Körper der Nonne, die sich noch immer bei ihr untergehakt hatte, plötzlich schwerer wurde. »Suor Ablata!«, rief sie, doch da hing die Nonne bereits an ihrem Arm, leblos, als hätte sie der Schlag getroffen.
    »Pater!«, flüsterte Isabella. »Padre Antonio!«
    Ihr Plan hatte sich von einem Augenblick auf den anderen zerschlagen. Sie hatte geglaubt, der Pater könnte hinter ihnen den Nonnenchor betreten, das Buch bemerken, von Suor Ablata den Schlüssel einfordern, damit er die Zeichnungen im Buch sehen und beurteilen konnte, und schließlich auch in ihrem Beisein die Seite aufschlagen, die für sie wichtig war. Danach hätte er den Schlüssel für das Buch wieder zurückgeben können. Jetzt waren alle Überlegungen müßig geworden. Die Handschrift fehlte.
    Isabella kniete sich nieder und ließ die Nonne auf den Boden gleiten. Sie berührte deren Stirn und versuchte ihren Puls zu greifen, doch sie spürte nichts.
    »Was ist passiert?«, hörte sie den Pater hinter sich, der leise neben sie getreten war.
    »Ich glaube, sie ist tot!«, sagte Isabella und musste schlucken. Der Pater kniete sich ebenfalls neben die Chornonne nieder und suchte unter dem Kragen ihre Halsschlagader.
    »Was tut Ihr da?«, herrschte Isabella ihn an.
    Man musste einer Toten nicht unter das Kleid greifen. Einer Nonne gleich zweimal nicht.
    »Seid ruhig, ich muss mich konzentrieren!«, zischte der Pater zurück. Die Finger am Hals waren zur Ruhe gekommen. Isabella sah, wie er die Augen schloss, und hoffte, er werde tun, was richtig war. Unwillkürlich zog das leere Pult ihre Blicke an. Über Jahre hin hatte die Alte das Buch bewacht und war dafür verantwortlich gewesen, und jetzt war es verschwunden. Wer hatte es an sich genommen? Wer hatte es überhaupt bewegen können? Die Handschrift war schwer. Allein der hölzerne Buchdeckel überforderte die Kräfte der meisten Frauen. Und doch musste irgendjemand das Neumenbuch weggeschleppt haben. Aber wohin? Und warum?
    »Sie ist nicht tot!«, entschied der Pater. »Sie ist nur ohnmächtig. Lasst sie hier liegen, bis sie wieder zu sich kommt. Inzwischen können wir nach dem Buch sehen.« Padre Antonio stand auf. »Es ist verschwunden!«, sagte Isabella, zwischen Aufatmen und Verzweiflung. »Seht.« Sie wies zum Lesepult hinüber.
    Der Pater schüttelte verwundert den Kopf. »Nach allem, was Ihr mir erzählt habt, ist das Buch zu schwer, als dass es so einfach weggeschafft werden kann«, bemerkte er.
    Sein Blick begann durch den Raum zu schweifen. Er deutete zum Beichtstuhl nach hinten. »Dorthin vielleicht?« Isabella verstand sofort, er meinte den Durchgang dahinter.
    »Das wäre zu einfach!« Isabella hatte natürlich einen Verdacht.
    Als sie von dem Pater im Chor überrascht worden war,

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